SISSI - Die Vampirjägerin
Funken sprühend zerbrach sie.
»Das wird nicht ganz einfach«, meinte Sissi.
Aus den Augenwinkeln sah sie Menschen in die Gasse laufen. Dass jemand vom Himmel gefallen war, konnte nicht unbemerkt geblieben sein.
Sissi beugte sich zu Franz-Josef hinunter. »Du brauchst Hilfe. Alles andere ist unwichtig.«
Er antwortete nicht. Seine Haut war so weiß, dass sie durchscheinend wirkte.
»Lass mich dir helfen.«
»Nein.« Er hustete. Schwarzes Blut quoll aus seinem Mund.
Sissi zog den Ärmel ihrer Jacke hoch und führte das gebrochene Katana mit einem kurzen Ruck über ihren Unterarm.
Einer der Menschen, die um sie herumstanden, stöhnte. Ein Mädchen fragte: »Papa, was macht die Frau da?«
Sissi beachtete niemanden, nur Franz-Josef. Sie hielt den Arm über sein Gesicht. Blut tropfte auf seine Haut. »Trink.«
»Das ist falsch.« Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum noch verstand. Sein Körper knisterte wie Papier. »Wir finden jemand anderes.«
Sie presste ihren Arm auf seine Lippen. »Trink!«, schrie sie ihn an. Sissi sah sein Zögern. Sie beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Wenn du mich liebst, dann trink. Ich will nicht ohne dich sein.«
Die Zeit schien quälend langsam zu vergehen, doch dann spürte Sissi, wie er seine Zähne in ihr Fleisch schlug. Sie zuckte zusammen. Der Schmerz war scharf und seltsam süß.
Die Menschen um sie herum sahen sich an. Manche hoben die Schultern, andere wichen zurück, als wollten sie nicht sehen, was sich in der Gasse abspielte.
Im Hintergrund hörte Sissi das Geräusch schwerer Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster. Die Soldaten standen wohl schon bereit, um die Menge zu betören.
Franz-Josef löste sich von ihrem Arm. Sein Körper knisterte nicht mehr, sein Gesicht wirkte voller.
»Trink ruhig weiter«, sagte Sissi. »Ich bin nicht armenisch.«
»Anämisch«, flüsterte Franz-Josef und schloss die Augen.
Nach einer Weile tauchten Soldaten mit einer Trage auf, um Franz-Josef in die Hofburg zu bringen. Sissi blieb an seiner Seite, bis sie hörte, wie jemand ihren Namen rief.
»Sissi?«
Sie drehte sich um. »Vater?«
Wie die meisten anderen Besucher der Mitternachtsmesse hatte er den Dom verlassen, als er den Lärm auf dem Dach hörte.
Sissi bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sie umarmte Herzog Max und trat dann zurück, um sein Gesicht zu sehen.
»Du glaubst nicht, was ich erlebt habe«, begann sie. »Dies…«
Herzog Max packte ihre Arme und drückte sie gegen ihren Körper, bis es schmerzte. »Wie konntest du das tun?« Seine Stimme war ein heiseres Zischen. Wut brannte in seinen Augen. »Wie konntest du ihm das Leben retten?«
»Er hat uns allen das Leben gerettet.« Verstört und überrascht wand sie sich in seinem Griff. »Uns allen.«
»Das ist mir egal. Wir retten keinen wie ihn. Hast du denn gar nichts gelernt? Du denkst, er liebt dich, aber du bist nur seine Gebärma…«
Ihr Tritt traf seinen Magen. Sein Griff lockerte sich. Sie schlug seine Arme weg und wandte sich ab. »Lass mich in Ruhe.«
Mit langen Schritten ging sie davon. Hinter ihr schloss sich die Menge.
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
Was würden die Kinder Echnatons tun, wenn ihr Kampf gewonnen und der letzte Vampir zu Staub zerfallen ist? Würden sie sich auflösen, zu ihren Familien zurückkehren und den Lauf der Welt sich selbst überlassen?
Ich glaube nicht. Vielmehr zeigt die Erfahrung in Frankreich und Amerika, dass das Wissen, was sich die Mitglieder angeeignet haben, sie besser als jeden anderen in die Lage versetzt, eine Nation zu führen. Sich dieser Verantwortung nicht zu stellen, wäre feige und dumm.
– Die geheime Geschichte der Welt von MJB
»Ist es wirklich sicher?«, fragte Sissi. Sie warf einen misstrauischen Blick in den Gang.
Franz-Josef ergriff ihre Hand. »Ich habe alle Wölfe entfernen lassen. Komm.«
»Alle, von denen du weißt.« Nur zögernd ließ Sissi sich mitziehen und erwartete jeden Moment einen Angriff.
»Alle«, bekräftigte Franz-Josef. Er drehte sich steif zu ihr um und lächelte. »Du musst dir keine Sorgen machen. Sie erwarten dich.«
Sie atmete tief durch. Gerade mal zwei Tage waren seit dem Absturz des Ballons vergangen. Franz-Josef erholte sich rasch, stützte sich aber noch auf einen Stock. Sie war sicher, dass er ihn am nächsten Tag bereits nicht mehr brauchen würde.
Der Diener vor der Tür verneigte sich, als er sie sah, und öffnete die Tür. »Hoheiten«, sagte er. Sein Blick streifte Sissi nur.
Der
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