SISSI - Die Vampirjägerin
Salon, in den Franz-Josef sie führte, war erstaunlich klein, aber voller Vampire. Karl lehnte an einem Kamin, über dem ein Landschaftsgemälde mit seltsamen Elefanten hing, Edgar und Pierre saßen auf einem zu kleinen Sofa, Ferdinand hockte unter einer Decke versteckt zwischen zwei Regalen und Sophie stand in der Mitte des Raums, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
»Franz-Josef«, sagte sie zur Begrüßung. »Wie ich sehe, bist du fast genesen.« Sie machte eine Pause. »Sissi«, fuhr sie dann fort, »sind dir die Anwesenden vertraut?«
Sissi nickte. Obwohl sie es nicht wollte, fühlte sie sich von Sophie eingeschüchtert.
Niemand bat sie, Platz zu nehmen, aber Franz-Josef zog zwei Stühle, die an einem kleinen Glastisch standen, heran und bot Sissi einen davon an. Sie setzte sich. Er nahm den neben ihr und begann seinen Stock zwischen den Fingern zu drehen.
Karl räusperte sich. »Um auf die Frage von eben zurückzukommen …«
»Ich habe nur eine Frage«, unterbrach Edgar ihn. Er zeigte mit dem Daumen auf Sissi. »Wann wird sie betört?«
»Gar nicht.« Sophies Stimme klang schneidend.
Wie sie das hassen muss, dachte Sissi.
Pierre stellte seine Teetasse voller Blut ab. »Wie bitte?«
»Franz-Josef war der Meinung, bei den Treffen unseres inneren Kreises sei eine menschliche Perspektive von Vorteil, und ausnahmsweise stimme ich ihm zu.«
Es war nicht ganz so gewesen. Sophie hatte sich mit Klauen und Zähnen dagegen gewehrt, hatte gedroht und gezetert, doch als Franz-Josef darauf beharrte, schließlich zugestimmt. Er war jetzt ein Held; sein Wort hatte Gewicht bekommen, nicht nur bei Sophie, sondern auch beim Rest des Hofstaats.
Diese neue Wertschätzung veränderte ihn bereits. Sissi hatte schon bemerkt, dass er sicherer geworden war, mutiger. Vielleicht musste ein Vampir, der mit der Aussicht auf ein fast ewiges Leben geboren wurde, sich erst dem Tod stellen, um erwachsen zu werden.
»Damit ist das Thema erledigt«, bestimmte Sophie, als Pierre erneut den Mund öffnete.
»Wo waren wir?« Karl warf einen Blick auf den Zettel, den er auf den Kamin gelegt hatte. »Ach ja, was Seine Eminenz und seine infernalische Waffe betrifft: Beide wurden gestern in Blei eingegossen und in den Katakomben unter dem Stephansdom verscharrt. Wenn Gott will, werden wir uns nie wieder damit befassen müssen.«
Sie hatten alles versucht, um den toten Vampir zu vernichten, Klingen, Flammen, sogar Sprengstoff. Nichts hatte der Leiche etwas anhaben können. Seine Eminenz war immer noch darin gefangen, Sissi hoffte, bis ans Ende der Zeit.
»Ich sage immer noch, wir hätten ihn sein Werk vollenden lassen sollen«, murrte Edgar.
»Und auf das alles verzichten?« Pierre breitete die Arme aus. »Auf Literatur und Malerei, auf Polstersessel und die Oper? Auf gutes Personal? Vielleicht möchtest du ja in einer Höhle leben und nackt durch die Wälder streifen, ich persönlich nicht.«
Edgar knurrte. »Eure Dekadenz ist der Anfang vom Ende.«
Niemand ging darauf ein. So bereitwillig sich die Vampire Seiner Eminenz unterworfen hatten, so erleichtert waren sie über das Ende seiner Herrschaft. Zu Dutzenden hatten sie Franz-Josef besucht, um sich bei ihm zu bedanken.
Sie mögen die Welt, in der wir leben, dachte Sissi, und sie mögen uns, auch wenn sie sich das nie eingestehen würden.
Karl betrachtete erneut seinen Zettel. »In den Zeitungen von heute steht nichts über den Zwischenfall am Dom, also können wir davon ausgehen, dass wir die Menge erfolgreich betört haben.«
Er faltete das Papier zusammen. »Das ist so weit alles. Hat sonst noch jemand etwas zu sagen?«
Sissi stand auf. Das Herz schlug ihr bis in den Hals. »Ja, ich.«
Kalte Blicke richteten sich auf sie. Franz-Josef drückte ihre Hand.
»Ich möchte hiermit erklären«, begann Sissi mit fester Stimme, »dass ich zu den Kindern Echnatons gehört …«
»Das kann ja wohl nicht wahr sein.« Edgar schüttelte den Kopf.
»Na, bravo«, sagte Ferdinand unter seiner Decke.
Die anderen im Raum schwiegen.
»… dass ich zu den Kindern Echnatons gehört«, wiederholte Sissi, »mich aber von ihnen losgesagt habe. Ich bin meine eigene Herrin und werde mir meine eigene Meinung bilden.«
»Wir sind nicht hier, um uns von dir richten zu lassen«, fuhr Sophie auf.
»Ich weiß.«
Karl warf Sophie einen kurzen Blick zu. »Hast du davon gewusst?«
»Nein.« Sie sah Franz-Josef an, als wolle sie ihn töten. »Das habe ich nicht.«
»Wenn du ein Kind Echnatons
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