SISSI - Die Vampirjägerin
sagte der Bucklige. »Vor a paar Dog hat’s o’gfanga.«
Franz-Josef riss die Tür der Kutsche auf. Der bittere Geruch wurde stärker.
Schlechtes Blut, dachte er. Jeder Vampir kannte den Geruch. Es war wie eine Warnung, nicht vom Blut eines Menschen zu trinken.
Sissi lag mit angezogenen Beinen auf der breiten Sitzbank. Sie hatte sich in ihren Umhang gewickelt, zitterte und stöhnte. Franz-Josef hatte nicht den Eindruck, dass sie ihn überhaupt bemerkte.
»Jeden Dog is’ schlechter beinand«, sagte der zweite Kutscher. »Mia woitn sie so schnell wia möglich zur Hofburg bringa.«
»Er hätte sie lieber zum Arzt bringen sollen.« Franz-Josef stieg in die Kutsche.
»Wer?«, fragte der Bucklige.
»Di moand er«, sagte der andere Mann.
Franz-Josef beachtete sie nicht. Er legte seine Hand auf Sissis Stirn. Sie war so heiß und trocken, dass er erschrak. Er nahm an, dass diese Temperatur nicht normal für Menschen war, aber er konnte die Kutscher schlecht fragen, ob seine Vermutung zutraf. Der bittere Geruch schien von Sissis Rücken auszugehen. Franz-Josef zog ihr vorsichtig den Umhang von den Schultern und erschrak, als er die tiefen Wunden sah, die teils von blutigem Stoff verdeckt waren. Kein Tier hatte sie gerissen, das roch er sofort. Sie mussten von einem Vampir stammen.
Was ist dir nur zugestoßen?, fragte er sich entsetzt.
»Mia woitn sie zum Doktor bringa«, sagte der Bucklige auf dem Kutschbock, »aber des hat’s uns verbotn. Sie woit sich nur im Palast behandeln lassn.«
Keine gute Idee! Franz-Josef wurde übel bei dem Gedanken, was hätte geschehen können, wenn Sissi in diesem Zustand in einem Palast voller Vampire aufgetaucht wäre. Jeder hätte ihr schlechtes Blut gerochen und der eine oder andere vielleicht sogar die richtige Schlussfolgerung daraus gezogen – ein Todesurteil, denn Vampire schätzten es nicht, wenn das Wissen um ihre Existenz sich unkontrolliert ausbreitete wie eine Krankheit. Sophie hätte keine andere Wahl gehabt, als Sissi umbringen zu lassen.
Franz-Josefs Gedanken überschlugen sich. Er durfte sie nicht in die Hofburg bringen, es musste einen anderen Weg geben.
Er legte seine Arme um Sissi und hob sie vorsichtig hoch. Sie stöhnte. Etwas rutschte von der Sitzbank und polterte zu Boden – ein länglicher, in Stoff eingeschlagener Gegenstand. Ohne nachzudenken, klemmte Franz-Josef ihn sich unter den Arm. Sissi war so leicht, dass er sie mit einer Hand halten konnte. Trotzdem benutzte er beide, als er die Kutsche verließ. Die Männer sollten ihn nicht für ein Wunder an Kraft halten.
»Sie ist zu schwach«, sagte er. »Es gibt einen Arzt ganz in der Nähe. Dorthin bringe ich sie.«
Die beiden Kutscher zögerten. Sie wagten nicht zu widersprechen, aber er sah ihnen an, dass sie sich fragten, weshalb er den Wagen nicht einfach zu diesem Arzt führte, anstatt Sissi einen Ritt zuzumuten.
»Vergesst den Arzt«, sagte Franz-Josef, als ihm die Ungereimtheiten in seiner Geschichte klar wurden. Sein Blick richtete sich abwechselnd auf die Männer. Er beschwor dieses seltsame Gefühl in seinem Innern, für das es keinen Namen gab. Er hatte die Kutscher nicht betören wollen, weil es Kraft kostete und er nur wenig getrunken hatte, aber sie ließen ihm keine andere Wahl.
»Sissi muss nicht zum Arzt«, fuhr er fort. Seine Stimme klang anders, wenn er jemanden betörte, tiefer und – wenn er ehrlich war – ein wenig gruselig. »Seht doch, es geht ihr wieder gut. Sie hat den ganzen Tag in der Kutsche geschlafen und sich erholt. Ihr müsst euch keine Sorgen mehr um sie machen.«
Er wiederholte die Worte einige Male, spürte, wie die Verbindung zwischen ihm und den Männern stärker wurde. Es war, als steche man eine Nadel durch Leder. Zuerst spürte man Widerstand, aber wenn die Spitze erst einmal hindurch war, ging alles ganz leicht.
»Do samma froh«, sagte der Bucklige schließlich. »Mia ham uns nämlich scho große Sorgen um sie g’macht.«
Franz-Josef konzentrierte sich auf den anderen. »Und gerade, als es ihr wieder besser geht, taucht ihr Verlobter auf, was für eine Überraschung. Die beiden wollen einige Tage allein verbringen, bevor sich Sissi dem ganzen Hofstaat stellen muss.«
»Des Madl is zu bedauern«, sagte der Kutscher. »Meim ärgsten Feind dad i so was niemals net wünschn.«
Unangebrachte Ehrlichkeit war eine Nebenwirkung des Betörens.
»Ihr werdet jetzt zur Hofburg fahren und den Wachen dort mitteilen, dass der Kaiser und seine Verlobte ungestört
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