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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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dem bloßen Auge nicht zu erkennenden Tasche am hinteren Ende des Sehnervs befindet. Dort werden Sporen produziert, ähnlich denen einer Löwenzahnblume, die dank des Lichts ins Auge eines Menschen transportiert werden können. Der Befehl dazu stammt aus dem Gehirn, doch produziert werden die Sporen in dieser Tasche.« Er hielt das Glasplättchen hoch.
    Seine Eminenz warf einen langen Blick darauf, dann lehnte er sich an den Labortisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sprechen Sie weiter.«
    Friedrich neigte den Kopf. »Im Gehirn eines Menschen angekommen, sorgen die Sporen für einen hypnoseartigen Zustand. Je länger der Kontakt zwischen Vampir und Mensch, desto größer die Anzahl der Sporen und die Dauer der Kontrolle. Und je älter der Vampir, desto effektiver sind seine Sporen.«
    Er brach ab, als Seine Eminenz die Hand hob. Er erwartete weitere Fragen, möglicherweise zu seiner Methodik oder seinen nächsten Schritten, doch stattdessen sagte der Vampir nur: »Wie lange?«
    Friedrich wusste, worauf er hinauswollte. »Ich weiß es noch nicht. Das hängt vor allem von der Überlebensdauer der Sporen und vom Erfolg der Verbesserungen ab, die ich an ihnen vornehmen möchte.« Er warf einen Blick auf sein Projekt. Es war gewagt gewesen, die Maschine zu bauen, bevor er seine Theorie hatte belegen können, doch nun war er froh darüber. »Ein paar Wochen vielleicht.«
    »Dann fangen Sie an.« Seine Eminenz stieß sich vom Labortisch ab und stand nur einen Lidschlag später bereits auf der obersten Stufe der Treppe. »Gute Nacht.«
    Friedrich schlug die Hacken zusammen. »Gute Nacht, Eminenz.«
    Hinter ihm zog der Diener die Frau vom Stuhl hoch. Er bezweifelte, dass er sie jemals wiedersehen würde.
    Jeder bringt Opfer, dachte er. Doch nicht jeder wird in gleicher Weise dafür belohnt werden.

 
    KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
    Die vampirische Herrschaft scheint sich allein auf Europa und die daraus entstandenen Kolonien zu beschränken. Gesicherte Erkenntnisse sind aufgrund der komplizierten Quellenlage zwar schwer zu erlangen, jedoch findet man in den Aufzeichnungen der großen Entdecker keinen Hinweis auf Begegnungen mit Vampiren. So glaubt man mittlerweile ausschließen zu können, dass sie in Afrika, Nord- und Südamerika oder Australien vor der Kolonisierung durch die Europäer gesichtet wurden. Asien stellt einen Sonderfall dar, da bereits Marco Polo von Kreaturen sprach, die er als Vampire bezeichnete, die aber nichts mit den uns vertrauten Bluttrinkern zu tun haben. So beschreibt er hüpfende, manchmal spinnenartige Wesen, die auch die Gestalt von Menschen annehmen können und ihr Blut trinken. Die Kinder Echnatons sind diesen Hinweisen sorgfältig nachgegangen, doch in all den Jahrhunderten seit Marco Polos Aufzeichnungen wurde nie auch nur eine dieser Kreaturen gesichtet.
    – Die geheime Geschichte der Welt von MJB
    Sissi erwachte. Eine Weile blieb sie ruhig liegen, starrte zur schmutzig braunen Zimmerdecke hinauf und versuchte sich daran zu erinnern, wo sie war. Irgendwann gab sie frustriert auf. Sie wusste es einfach nicht.
    Ihr Mund war trocken, ihre Kehle rau. Als Kind wäre sie beinah an den Masern gestorben. Aufzuwachen, nachdem das Fieber heruntergegangen war, hatte sich genauso angefühlt wie dieser Moment. Nur dass ihre Mutter an ihrer Seite gesessen und ihr eine Schüssel mit Hühnerbrühe unter die Nase gehalten hatte.
    Hühnerbrühe, dachte Sissi. Ihr Magen knurrte. Sie wollte sich aufsetzen, bekam aber ihre Hände nicht auseinander. Verwirrt hob sie die Arme und sah, dass ihre Handgelenke mit Stricken zusammengebunden waren. Sie versuchte ihre Beine unter dem Umhang, der sie bedeckte, zu bewegen und spürte groben Hanf. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Einen Moment lang konnte sie nicht atmen. Sie zwang sich zur Ruhe und sah sich um. Außer ihr befand sich niemand in dem großen Zimmer. Die aufgereihten Betten erinnerten sie an ein Internat oder ein Kloster, vielleicht auch ein Lazarett. Doch die Menschen, die einmal an diesem Ort gelebt hatten, schienen ihn längst verlassen zu haben. Es gab kein Fenster in dem Zimmer, nur einen Schrank an der Wand und eine geschlossene Tür. Ein schmaler Lichtstreifen war unter der Tür zu sehen, ansonsten war es dunkel.
    Mein Rücken, dachte Sissi, als die Erinnerung plötzlich einsetzte. Die Verletzung hatte sich nur einen halben Tag nach dem Angriff entzündet. Die Schmerzen und das Fieber waren schon bald so schlimm geworden, dass sie kaum noch einen

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