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Sisters of Misery

Titel: Sisters of Misery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Kelley Hall
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sagte, eine »harte Nuss«.
    Maddie sprang aus dem Bett und folgte Cordelia leise durch den Flur. Das Zimmer ihrer Großmutter ging zum Meer hinaus
und Tess verbrachte viele Abende vor dem Fenster und blickte wehmütig auf das Wasser. Maddie vermutete, dass sie an jenem Tag, an dem sie erfahren hatte, dass ihr Mann Jack Martin auf See verschollen war, genauso hinausgeblickt hatte.
    Tess strahlte, als ihre Enkelinnen in ihr Zimmer traten, und klopfte einladend auf ihr Bett. Maddie gab sich dem behaglichen Dämmerlicht des Raumes hin, machte es sich auf der alten, von etlichen Decken gepolsterten Matratze bequem und lauschte den Klängen des Sommerabends, die durch das offene Fenster hereinwehten. Eine Gruppe Jugendlicher lief zum Strand hinunter. Maddie verstand nicht, was sie sagten, aber ihre Stimmen echoten durch das Zimmer. Sie hörte das Kreischen eines Mädchens, gefolgt von Lachen - es klang sorglos und gleichzeitig ein bisschen unheimlich in der Dunkelheit.
    Â»Ihr wisst, dass ihr etwas ganz Besonderes seid, nicht wahr?«, fragte Tess, nachdem die Mädchen es sich bequem gemacht hatten. Cordelia und Maddie sahen sich an und versuchten, angesichts des ernsten Tonfalls ihrer Großmutter nicht in Kichern auszubrechen. »Die Frauen in unserer Familie besitzen eine besondere Gabe«, fuhr Tess fort. »Eine Art übersinnliche Wahrnehmung, die es uns erlaubt, Dinge zu wissen, die nicht zu erklären sind.« Maddie, für die Tess’ Geschichten über »besondere Fähigkeiten und Begabungen« nichts Neues waren, grinste, aber Cordelia beugte sich fasziniert näher.
    Jedes Mal wenn Tess von der »Familiengabe« sprach, tat Abigail es mit einem Lachen ab. Ihrer Meinung nach war das ein exzentrischer Spleen, den ihre Mutter kultivierte, weil sie zu viel freie Zeit hatte. Maddie fragte sich, ob Cordelia und Rebecca dieses besondere Gen geerbt hatten, denn sie und ihre Mutter besaßen es definitiv nicht.
    Â»Ich habe meine Gabe entdeckt, als Rebecca noch ein Baby war.« Tess ließ den Blick wieder zum Fenster wandern. Sie beschrieb ihnen, wie sie wochenlang von der Farbe Blau geträumt
hatte, wie ihre Gedanken von der Weite tiefblauer Himmel beherrscht wurden, die über ruhigen aquamarinblauen Wasserflächen schwebten. Sie träumte von dicken, reifen Blaubeeren, die über den Esszimmertisch rollten, der mit teurem Porzellan gedeckt war, das so fein und blau wie das Ei eines Rotkehlchens war. Kobaltblaue Wasserkelche waren bis zum Rand mit Traubensaft gefüllt und in den Vasen standen Hortensien, Kornblumen und Wicken. »Die Bilder blieben mir noch lange im Kopf, nachdem die Träume verschwunden waren, aber da ich nicht wusste, was ich mit diesen Vorahnungen anfangen sollte, schüttelte ich sie einfach von mir ab.«
    Â»Und was geschah dann?«, fragte Cordelia.
    Tess setzte sich ein bisschen aufrechter hin. Ihr Gesicht strahlte vor Freude darüber, eine neue, gespannte Zuhörerin zu haben, der sie ihre geheimnisvollen Geschichten erzählen konnte. »Erst als ich eines Nachmittags im Spätsommer von einem Nickerchen aufwachte und das Gefühl hatte, dringend nach meinem kleinen Mädchen schauen zu müssen - deiner Mutter -, begannen meine Träume, einen Sinn zu ergeben.« Tess legte eine dramatische Pause ein. »Als ich in das Kinderzimmer ging und sah, dass das Gesicht deiner Mutter von dem gleichen Blau war, das mich in meinen Träumen verfolgt hatte, kamen mir wieder all die blauen Bilder in den Sinn.«
    Cordelia schnappte entsetzt nach Luft, als sie erfuhr, dass das Baby sich in seiner Bettwäsche verheddert und sein engelhaftes Gesicht eine blaue Färbung angenommen hatte, weil es kurz davor gewesen war, zu ersticken.
    Â»Was hast du gemacht?«, rief sie. Maddie war überrascht über ihre heftige Reaktion - die Anspannung, die von ihrer Cousine ausging, war nahezu greifbar. Tess beschrieb, wie sie das Kind rasch aus den Laken befreit, ihren Mund auf seine blauen Lippen gepresst und kräftige Stöße lebensrettender Luft in seine Lungen gezwungen hatte. Nach mehreren
angstvollen Minuten begann das Baby, keuchend nach Luft zu schnappen, und sein Gesicht nahm wieder eine rosige Farbe an.
    Â»Von da an wusste ich, dass meine Träume mir wichtige Ereignisse vorhersagen, mir aber nie konkrete Hinweise geben würden«, sagte sie unheilschwanger. »Die Zeichen waren da, nicht aber ihre Bedeutung.

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