Sisters of Misery
Lagerraum gelandet, an dessen Wänden sich fahrbare Krankentragen aneinanderreihten. Als sie im Vorbeigehen eine von ihnen aus Versehen anstieÃ, hallte ein metallisches Scheppern durch den Raum, fast so als verkündete es ihren Eintritt in Ravenswood. Nur mühsam gelang es ihr, das Zittern ihrer Hände zu kontrollieren, als sie mit der Taschenlampe nach der Tür leuchtete. Während sie sich einen Weg durch den dunklen Raum bahnte, stützte sie sich haltsuchend an einer Reihe hoher Metallaktenschränke ab, die links von ihr an der Wand standen. Erst als sie an einem komplett herausgezogenen Schubfach vorbeikam, wurde ihr klar, wo sie tatsächlich gelandet war. Bei der Vorstellung, was sie statt der Aktenschränke in Wirklichkeit angefasst hatte, begann ihr Magen zu rebellieren.
Maddie befand sich in der Leichenhalle der Anstalt. Sie hechtete auf die Tür zu, die zu ihrer unendlichen Erleichterung nicht abgeschlossen war.
Verlier jetzt bloà nicht die Nerven, Maddie. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.
Wer wusste schon, was sie erwarten würde? Sie wollte einfach nur Rebecca finden und danach würde sie mit diesem Ort, dieser Familie und dieser Stadt ein für alle Mal fertig sein. Während sie immer tiefer in das Gebäude vordrang, f ragte sie sich, ob sie es noch bereuen würde, hierhergekommen zu sein, so wie sie es den Rest ihres Lebens bereuen würde, dass sie Cordelia in jener Nacht nach Misery Island mitgenommen hatte.
Von wegen Hawthorne ist eine langweilige Kleinstadt, dachte Maddie grimmig, als sie sich auf der Suche nach ihrer lebensmüden
Tante in dem finsteren Anstaltsgebäude Spinnweben und Gott weià was von ihrer Kleidung klopfte.
Mit pochendem Herzen huschte sie durch den unterirdischen Gang und suchte nach einer Tür oder einem Treppenaufgang, die in das Hauptgeschoss des Gebäudes führten. Sie konnte nur hoffen, dass ihr grauenhafter Orientierungssinn sie nicht vom Hauptgebäude wegführte und sie sich in dem labyrinthartigen Tunnelsystem verirrte, das sich von hier bis Fort Glover erstreckte.
Plötzlich wurde über ihr das Geräusch schwerer Schritte laut und sie blieb wie angewurzelt stehen. Waren das Rebeccas Schritte? Dann trat wieder Stille ein.
Ohne nachzudenken, rannte sie los und betete, dass sie irgendwo eine Treppe, eine Leiter oder einen Aufzug finden würde - irgendetwas, womit sie aus den Tiefen dieses schrecklichen Orts fliehen könnte.
Als sie endlich vor einem Treppenaufgang stand, der in das Hauptgebäude führte, fragte sie sich, was Rebecca wohl dazu gebracht hatte, sich immer wieder durch diese engen, unheimlichen Gänge zu schleichen, um zurück in den Marinerâs Way zu gelangen und sich dort in ihrem Keller zu verstecken.
Was ist in diesem Keller vor sich gegangen?
Maddie fiel nur eine einzige logische Erklärung für das Verhalten ihrer Tante ein: Cordelia.
27
SPIEGELVERKEHRTES ANSUZ
WARNUNG
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Fehlschlüsse, Täuschung und Betrug
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W ährend Maddie die Stufen hinaufrannte, hatte sie nur einen Gedanken: Sie musste herausfinden, woher die Schritte kamen. Vor der Tür angekommen, die laut einer kleinen Hinweistafel in den Empfangsbereich der Anstalt führte, drückte sie langsam die Klinke herunter und schlüpfte leise in den angrenzenden Gang, als rechts von ihr plötzlich wieder Schritte zu hören waren. Sie versuchte, so lautlos wie möglich in die Richtung zu laufen, aus der die Geräusche kamen, um Rebecca nicht unnötig zu erschrecken.
Was tu ich da eigentlich?, fragte Maddie sich kurz darauf und schüttelte über sich selbst den Kopf. Rebecca weià wahrscheinlich sowieso schon, dass ich hier bin. Bestimmt hat sie das Ganze sogar geplant. Sie kennt diesen Ort besser, als ich es jemals könnte. Und jetzt will sie mich für das, was mit Cordelia passiert ist, bezahlen lassen.
Schritte steuerten in ihre Richtung, aber sie klangen anders, irgendwie schwerer und gleichmäÃiger. Sie betete, dass es Finn war, da sie aber kein Risiko eingehen wollte, presste sie sich an die feuchtkalte Wand, hielt die Luft an und hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht. Auf einmal verstummten die Schritte schlagartig und bleierne Stille senkte sich über den dunklen Gang. Sie versuchte, so flach wie möglich zu atmen,
obwohl sie beinahe davon überzeugt war, dass ihr dröhnender Herzschlag im ganzen Stockwerk zu hören sein
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