Sisters of Misery
tun willst, dann hilf mir, die Perlen von meiner Halskette einzusammeln, ja?« Cordelias Stimme klang brüchig und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Der körperliche Schmerz schien ihr nichts auszumachen, aber der Anblick der überall verstreut liegenden Glasperlen und Halbedelsteine der Halskette, die ihr Vater ihr kurz vor seinem Tod geschenkt hatte, brach ihr das Herz.
»Natürlich«, flüsterte Maddie und kniete sich neben ihre Cousine auf den Boden. Schweigend sammelten sie die Steine und Perlen auf, bis sie alle zusammenhatten.
Auf dem Weg zum Spielfeld ging Maddie ein paar Schritte hinter Cordelia her und suchte verzweifelt nach Worten, um das, was geschehen war, irgendwie zu mildern. Cordelia band ihre Haare mit hoch erhobenem Kopf zu einem fest sitzenden Pferdeschwanz zusammen. SchlieÃlich stieà Maddie ein kurzes, bitteres Lachen aus, um die angespannte Stimmung zu lösen und gleichzeitig das mulmige Gefühl in ihrer Magengrube zu verdrängen. »So etwas hab ich wirklich noch nie erlebt. Ich kann einfach nicht fassen, dass Kate das wirklich getan hat.«
Cordelia blieb stehen und blickte Maddie fest in die Augen. »Wenn du tatsächlich glaubst, dass das alles ist, wozu
Kate fähig ist, dann bist du genauso verrückt wie sie, Maddie.« Sie wirbelte herum und marschierte auf das Feld zu, auf dem die Sisters of Misery im bernsteinfarbenen Licht der späten Nachmittagssonne lachend und unter lauten Anfeuerungsrufen mit dem Training begonnen hatten.
Maddie sah ihr wie versteinert nach. Sie fragte sich, welche AusmaÃe Kates Zorn noch annehmen würde, und wusste tief in ihrem Inneren ganz genau, über wem er sich unweigerlich entladen würde.
Trotz allem, was passiert war, hoffte sie inständig, Cordelia würde sie auf die Party begleiten, aber ihre Cousine hatte für diesen Abend bereits andere Pläne - Pläne, die definitiv nicht vorsahen, ihre Zeit mit Schülern der Hawthorne Academy zu verbringen und ganz bestimmt nicht mit auch nur einer der Sisters of Misery.
»Ich würde an deiner Stelle lieber nicht hingehen«, warnte Cordelia sie, während sie transparenten Lipgloss auftrug. Maddie saà auf Cordelias Bett, sah ihr dabei zu, wie sie sich zurechtmachte und fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, in den Spiegel zu schauen, wenn man so schön war. Cordelia tat sehr geheimnisvoll, was ihre Verabredung anging, und hatte Maddie das feierliche Versprechen abgenommen, Rebecca gegenüber so zu tun, als gingen sie gemeinsam auf die Party. Maddie war von diesem Plan allerdings nicht sonderlich begeistert.
»Du weiÃt doch, was ich mir sonst wieder anhören darf«, flehte Cordelia. »Sie wünscht sich so sehr, dass ich mich hier gut einlebe. Auch wenn ich nicht verstehe, warum ich dazu auf solche Partys gehen soll - sie hat doch selbst gesagt, dass wir uns vor Kate in Acht nehmen müssen. Ich hab jedenfalls keine
Lust, mit diesen reichen Zicken abzuhängen, die du deine Freundinnen nennst, pardon - Schwestern .«
Plötzlich nahm Maddie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, drehte sich um und sah Tess im Türrahmen stehen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel ihre GroÃmutter von der Unterhaltung mitbekommen hatte, jedenfalls trat sie langsam hinter Cordelia und legte ihr eine Hand auf den Rücken. Als Cordelia vor Schmerz leicht zusammenzuckte, wirkte sie nicht überrascht. Sie hob Cordelias Tunika sanft nach oben und betrachtete mit unergründlicher Miene ihren von Striemen überzogenen Rücken. Dann blickte sie ihre beiden Enkelinnen an und schüttelte traurig den Kopf.
»Was ist los?«
»Ãh ⦠was soll sein?«, stammelte Cordelia. Maddie wusste, dass Cordelia die herzensgute, zerbrechliche Tess auf gar keinen Fall in diesen hässlichen Krieg mit den Sisters of Misery hineinziehen wollte.
Sie kam ihrer Cousine zu Hilfe. »Das ist heute im Sportunterricht passiert. Sie ist beim Training gestolpert und in einen Dornbusch gefallen.«
»Muss ein ziemlich fieser Dornbusch gewesen sein«, stellte Tess ruhig fest. Sie betrachtete prüfend die Wunden auf Cordelias Rücken und eilte dann aus dem Zimmer. Maddie und Cordelia sahen sich an, in ihren Augen stand die gleiche Frage: Wie hatte sie davon wissen können?
Einen Augenblick später kam Tess mit einer kakteenartigen Pflanze mit fleischigen grünen Blättern zurück. Sie brach eines davon ab und
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