Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
demWort Gottes dafür zu rechtfertigen, dass du die R egeln der Schule gebrochen hast, oder ich schwör dir, ich werde nach draußen gehen, eine R ute holen und deinem Hintern ein bisschenVerstand einbläuen. Mir ist es egal, wie alt du bist. Hast du verstanden?« Nie im Leben würde Amma mich schlagen, auch wenn sie mich schon ein paar Mal mit einer R ute gejagt hatte, um mir ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Aber jetzt war nicht der rechte Moment, um sie daran zu erinnern.
Meine Lage verschlimmerte sich mit jedem Augenblick, ich musste sie ablenken. Das Medaillon brannte ein Loch in meine Hosentasche. Amma liebte Geheimnisse. Als ich vier Jahre alt war, hatte sie mir mit Kriminalgeschichten und ihren Kreuzworträtseln das Lesen beigebracht. Ich war der Einzige im Kindergarten, der dasWort Medizin von derTafel ablesen konnte, weil es so viel Ähnlichkeit mit Gerichtsmediziner hatte. Und was geheimnisvolle Dinge anging: Das Medaillon war nun wahrlich geheimnisvoll genug. Ich durfte nur nicht erzählen, dass ich es berührt hatte und dann sozusagen mitten im Bürgerkrieg gelandet war.
»Du hast recht, Amma. Es tut mir leid. Ich hätte nicht weglaufen dürfen. Ich wollte nur sichergehen, dass mit Lena alles in Ordnung war. Direkt neben ihr ist ein Fenster zersprungen und sie hat geblutet. Ich bin nur zu ihr nach Hause gegangen, um zu sehen, ob es ihr gut geht.«
»Du warst dort oben in diesem Haus?«
»Ja, aber sie war nicht da. Ich glaube, ihr Onkel ist wirklich sehr menschenscheu.«
»Du brauchst mir nichts über Macon Ravenwood zu erzählen. Du weißt ohnehin nichts, was ich nicht schon längst wüsste.« Wieder dieser Blick. »M.I.N.D.E.R.B.E.M.I.T.T.E.L.T.«
»Wie bitte?«
»Sprich: Du hast kein FünkchenVerstand, EthanWate.«
Ich angelte das Medaillon aus meinerTasche und ging zu ihr an den Herd. »Wir waren draußen hinterm Haus. Dort haben wir etwas gefunden«, sagte ich und machte die Hand auf, damit sie einen Blick auf das Medaillon werfen konnte. »Es hat auch eine Inschrift.«
Ammas Gesichtsausdruck jagte mir Angst ein. Sie sah aus, als hätte sie gerade der Schlag getroffen.
»Amma, ist alles in Ordnung mit dir?« Ich wollte sie am Ellenbogen fassen, um sie zu stützen, falls sie in Ohnmacht fiel. Aber ehe ich sie berühren konnte, zog sie ihren Arm weg, als hätte sie sich die Hand an einem heißenTopfgriff verbrannt.
»Wo hast du das her?« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Wir haben es in der Erde gefunden, in Ravenwood.«
»Das habt ihr nicht auf Ravenwood gefunden.«
»Was meinst du damit?Weißt du, wem das Medaillon gehört?«
»Bleib stehen und rühr dich nicht vom Fleck«, befahl sie mir und eilte aus der Küche.
Aber ich hörte nicht auf sie, sondern lief ihr nach bis in ihr Zimmer. Es hatte schon immer mehr einer Apotheke geähnelt als einem Schlafzimmer. Ein niedriges weißes Bett stand eingezwängt unter R egalreihen. Auf den R egalen lagen säuberlich gebündelte Zeitungsausschnitte – Amma warf nie ein Kreuzworträtsel weg, wenn sie es gelöst hatte – und Einmachgläser, gefüllt mit den wichtigsten Zutaten, die sie für ihre Amulette brauchte. Einige waren altbekannt: Salz, bunte Steine, Kräuter. Aber sie hatte auch Ungewöhnliches in ihrer Sammlung, zum Beispiel ein Glas mitWurzeln, und in einem anderen befanden sich alteVogelnester. Auf dem obersten Brett standen Flaschen mit Erde. Selbst für AmmasVerhältnisse verhielt sie sich merkwürdig. Als ich in ihr Zimmer kam, durchwühlte sie bereits hastig die Schubladen.
»Amma, was hast du …«
»Hab ich dir nicht gesagt, du sollst in der Küche bleiben? Bring mir dieses Ding bloß nicht ins Zimmer!«, kreischte sie, als ich einen Schritt auf sie zutrat.
»Wieso regst du dich so auf?« Sie stopfte ein paar Sachen, die ich nicht erkennen konnte, in ihre Arbeitsschürze und eilte wieder hinaus. In der Küche holte ich sie ein. »Amma, was ist denn los?«
»Nimm das.« Sie gab mir ein abgenutztesTaschentuch und achtete darauf, mich nur ja nicht zu berühren. »Jetzt wickelst du dieses Ding darin ein. Und zwar sofort.«
Das war mehr als bloßer Aberglaube, sie schnappte ja völlig über.
»Amma …«
»Tu, was ich dir sage, Ethan.« Sonst nannte sie mich nie nur beimVornamen, meist kam auch noch der Nachname hinterher.
Erst als das Medaillon fest eingewickelt war, beruhigte sie sich ein wenig. Sie kramte in den unterenTaschen ihrer Schürze und zog einen kleinen Lederbeutel und ein R öhrchen mit Pulver
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