Skagboys 01
darstellt. Es gibt bestimmt nicht wenige Girls, die sich in einem klaren Moment fragen: »Warum hab ich es eigentlich zugelassen, dass mich dieser übergewichtige, schwitzende Rotschopf besteigt und seinen fetten Kolben in meine Mumu hämmert?«
Wenig später machen wir uns auf den Weg. Ich fahre in Nicksys Auto mit, einer dreckigen Rostlaube, in der Unmengen von alten Zeitungen, Fastfood-Schachteln und leeren Bierdosen herumliegen. Auf der Rückbank sitzen Roberta, ich und dieses andere Mädchen, deren Name mir nicht einfällt. Angie is es jedenfalls nich. Im Kassettendeck läuft eins von Nicksys geilen Northern-Soul-Tapes, und so habe ich keinerlei Eile, in Eccles anzukommen. Als uns die Tomangoes mit ihrer Nummer »I Really Love You« beglücken, singen Roberta, ich und diese andere Tante – ich glaub, sie heißt Hannah – laut mit und wippen Schulter an Schulter zum Beat hin und her. Neben Nicksy hockt eine Schnitte mit schulterlangen, glatten blonden Haaren auf dem Beifahrersitz. Als wir schließlich an unserem Ziel in Eccles ankommen, sind schon jede Menge Leute von der Party in Blackpool da. Aus irgendeinem Grund überwältigt mich in diesem Moment die Erkenntnis, dass es sich echt gut anfühlt, ich selbst zu sein: ein junger, smarter Kerl aus der Arbeiterklasse auf dieser wunderschönen Insel. Wie viel mehr Glück kann man noch haben?
Ich setz mich mit Roberta auf eine ramponierte Couch, und wir quatschen über das Reisen. Ich erzähle, dass ich nach dem Europa-Trip nächsten Sommer vielleicht in die USA will. Mein Plan is, mir über dieses Austauschprogramm BUNAC ein Visum zu besorgen – als Fußballtrainer für amerikanische Kids oder so – und dann einfach abzuhauen und im Land rumzutingeln, bis die Kohle alle is. Die anderen sind in der Küche oder in dem kleinen Garten hinter dem Haus und tanzen zu Northern-Soul-Platten. Es laufen nur amtliche Scheiben wie die von International GTO s mit »I Love My Baby«. In unserem Zimmer hocken noch zwei Typen, ziemlich runtergekommene Gestalten, und rauchen Heroin von einem Stück Alufolie. Als ich zu ihnen rüberschaue, sieht mich der eine Kerl an. Er hat strähnige Haare und große dunkle Ringe unter seinen kalten Augen. Er wirft mir ein düsteres Lächeln zu. — Willste was vom Zeug hier?, murmelt er mit Liverpooler Dialekt.
Verdammte Wichser! Ziehen sich echt diesen verfickten Scheiß auf einer Northern-Party rein …
— Nee, lass ma, Alter. Kein Bedarf, antworte ich und winke ab, als er mir die Pfeife und die Alufolie hinhält. Roberta schaut den Typen ärgerlich an und lehnt ebenfalls ab. Der Arsch zuckt nur mit den Schultern, kichert sich eins und reicht die Folie an seinen Kumpel weiter. Der hält sofort ein Feuerzeug drunter und zieht sich eine ganze Ladung durch die Pfeife in die Lungen. Als der Kick einsetzt, schaut er mit einem Mal ganz benommen, und die Augen fallen ihm fast zu.
Blöder Wichser, du!, denk ich. Verwandelst dich mit diesem Zeug in einen verdammten Zombie und kriegst nich mehr mit, was draußen läuft …
— Ich will hier weg, sagt Roberta auf einmal. — Lass uns zu den anderen gehen.
Ich stehe mit ihr auf, und wir gehen in die Küche, um zu schauen, ob Chris aus Salford mittlerweile aufgetaucht ist. Als ich in den Garten will, hält mich Roberta zurück. — Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir zu mir gehen könnten.
— Klar doch, sag ich möglichst cool, als die Do-do-do-do-do-dos aus den Boxen den Invitations-Klassiker »What’s Wrong With Me Baby« ankündigen. Mit einem feixenden Nicken signalisiere ich Keezbo, dass ich was gelandet hab. Hoffentlich wird das mit Roberta ne gute Nummer. Will schließlich nich umsonst von so einer Superparty verschwinden. — Morgen um zwölf im Swinging Sporran … das is in der Sackville Street am Arndale, rufe ich meinem Bandkollegen zu, wo und wann wir uns am nächsten Tag treffen.
Keezbo grinst nur, schaut auf diese Angie, die neben ihm steht, und nickt dann zu Tommy hinüber, der mit ein paar Man-City-Fans in Fußballgespräche vertieft ist. — 2 : 0 für Team Ginger, die Rhythmussektion ausm Fort, Mr. Mark!, ruft er zurück und hat dabei ein Grinsen im Gesicht, so lang und so dreckig wie der Fluss Forth.
— Lang lebe die Rhythmussektion!, gebe ich mit hochgestreck tem Daumen zurück und verabschiede mich mit einem Zitat von den Invitations: — Toughest Skiers aroond, Alter!
Als wir uns auf den Weg machen, steigt über den roten Backsteingebäuden Westmanchesters schon
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