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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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und von sich selbst eingenommenen Flachwichser abstempelten.
    Ich hatte etwas Panik, da schon in der Prozessbegleitungsgruppe am Vormittag reichlich gebrüllt worden war. Dieser Ted, ein ziemlich aggressiver kleiner Bastard, hatte sich mit Sick Boy und Swanney ein heftiges Wortgefecht geliefert. Sie hörten erst auf, als Seeker sagte: »Dreht die verfickte Lautstärke runter. Ich krieg Kopfschmerzen von dem Scheiß.« Das taten sie dann auch, denn alle hatten Schiss vor Seeker.
    Obwohl ich alle Anwesenden bereits kannte, stellte mich Tom noch einmal vor. »Ich möchte Mark in der Gruppe willkommen heißen. Mark, kannst du uns bitte sagen, was du dir von diesen Sitzungen erhoffst?«
    »Ich will einfach clean bleiben, mein Leben auf die Reihe kriegen und anderen dabei helfen, das Gleiche zu tun«, hörte ich mich mit der Stimme eines Kirchenchorknaben quieken. Swanney kicherte, Sick Boy spitzte nur die Lippen.
    Das brachte die Sache ins Laufen. Plötzlich hatten alle etwas beizutragen. Die Diskussion war aber äußerst wirr und führte ins Nirgendwo.
    Nach der Sitzung wollte ich mit Keezbo sprechen, der sofort in sein Zimmer verschwunden war. Als ich eintrat, saß er auf dem Bett und schaute ein Fotoalbum an. Über die alten Bilder gelang es mir, dem einsilbigen Arsch ein kleines Gespräch abzuringen. Viele von unserer Gang hatten als Kinder mit ihren Eltern in den Fort Flats gewohnt. Damals war ich eines der größten Kids in der Gruppe gewesen, und mein Haar hatte noch diese reine, kraftvolle Ginger-Farbe gehabt.
    Ein Bild fiel mir besonders ins Auge. Ich hatte es noch nie zuvor gesehen. Es zeigte uns als kleine Knirpse auf einem Fleckchen Brachland in der Nähe der Fort Flats. Es war eine Art Mannschaftsfoto, auf dem wir alle unsere Trikots von den Wolves, sprich, dem Wolverhampton Wanderers Football Club, trugen. Wir hatten abgemacht, uns diese Fan-Trikots zu Weihnachten schenken zu lassen. Damals müssen wir so um die neun Jahre alt gewesen sein.
    Ich war Fan der Wolves geworden, als sie im Texaco Cup die Hearts in deren Heimstadion Tynecastle wegputzten – und das, obwohl die Jambo-Flachzangen das Hinspiel im Molineux gewonnen hatten! Auf dem Foto sind wir alle zu sehen: In der hinteren Reihe standen Keezbo, ich, Tommy, Second Prize, Franco Begbie und Deek Low. Vor uns hockten Gav Temperley, »English« George Stavely (der wieder nach Darlington zog), Johnny Crooks, Gary McVie (der vor ein paar Jahren bei einer Spritztour mit einem geklauten Auto ums Leben kam), der dunkelhäutige Mischling Alan »Schokofresse« Duke (gezeugt von einem karibischen Seemannssamen, der seinen Weg ins Leither Hafenbecken gefunden hatte) und Matty Connell.
    »Das Bild habe ich noch nie zuvor gesehen«, sagte ich zu Keezbo. Mir fiel auf, dass Matty bereits auf diesen alten Fotos eine ziemlich blasse Gestalt war. Entweder tauchte er als eine kaum ausmachbare und von scheinbarem Siechtum betroffene Figur auf, war nicht viel mehr als ein geisterhafter Schmutzfleck oder erschien gar nicht erst auf den Bildern. Auch auf diesem Foto schien er sich gerade davonzuschleichen; die weiße Seitenkante des Instamatic-Abzugs schnitt die Hälfte seines Gesichts ab, sodass nur eins seiner listigen Augen zu sehen war.
    »Eigentlich müsstest du das Bild aber kennen«, sagte Keezbo und schaute mich zum ersten Mal richtig an. »Weißt du nicht, wer es aufgenommen hat?«
    »Nö. Dein Vater?«
    »Nee, dein Vater.«
    »Wie kommt es dann, dass du es hast?«
    »Ich hab mir einen Abzug vom Negativ machen lassen. Deine Ma hat meiner Ma den Film gegeben, weil da auch die Schnappschüsse von der Neujahrsparty in der Bude meiner Alten drauf waren.« Er blätterte im Fotoalbum nach vorn und zeigte mir ein paar Bilder, auf denen seine Leute und meine Eltern zusammen mit ein paar Nachbarn und Freunden feierten. Olly Curran war auch dabei, hatte auf den Bildern aber noch schwarze statt silberfarbene Haare. Seine Faschofresse wirkte allerdings so verschlagen wie eh und je.
    Es war allerdings ein anderes Bild, das mich erstarren ließ. Fast blieb mir das Herz stehen, als ich dieses wunderbar vertrottelte Lächeln von Klein Davie auf einem der glänzenden Kodak-Abzüge erblickte. Sein Gesicht füllte nahezu das ganze Bild aus und saß auf einem spindeldürren Körper, der so zusammengeschoben und gekrümmt wie ein Akkordeon aussah. Mein Vater schaute ihn mit einer Mischung aus Liebe und Traurigkeit an. Ich fand dieses Foto schon immer in gleichem Maße fesselnd und

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