Skagboys 01
stelle mich in den Schatten eines großen Eichenbaums und schaue ein paar Wolken im hellblauen Himmel an, die wie die Schaumkrone eines Vanille-Milchshakes aussehen.
Plötzlich knacken hinter mir die Kieselsteine unter den Schritten einer sich nähernden Person. Als ich mich umdrehe, sehe ich Tom langsam in meine Richtung schreiten. Auf seinem Gesicht liegt ein beschämter, unsicherer Ausdruck. Klar wie Kloßbrühe, dass er auf Versöhnung aus ist. — Mark, hör mal, das von eben tut mir leid …
Der Penner kann mir echt gestohlen bleiben und sich seine schmierigen Plattitüden und unaufrichtigen Umarmungen dahin stecken, wo die Sonne niemals scheint. Dieser manipulative, doppelzüngige Flachwichser! — Du kapierst es einfach nicht! Du wirst es nie schnallen! Diese Wut, die in mir tobt, wirst du niemals verstehen, fauche ich und muss erst an Orgreave, dann an Begbie denken. — Ja, ich verletze mich. Ich setze mich selbst außer Gefecht, damit ich nicht irgendjemand anders wehtue, der es nicht verdient hat. Und das mache ich nur, weil ich an Leute wie dich nicht rankomme. Ich weiß, dass es zwecklos ist, denn ihr habt das Gesetz auf eurer Seite. Ich fühle, wie sich ätzende Magensäure den Weg in meinen Rachen bahnt. — Wenn ich deine Welt zerstören und in Stücke schlagen könnte, würde ich keine Sekunde damit verschwenden, mein eigenes Leben kaputt zu machen!
Just in diesem Moment rollt ein mir wohlbekannter Wagen die Auffahrt rauf. Die gespannten Gesichter meiner Eltern relativieren einen Großteil von dem, was ich gerade gesagt habe. Der Schmerz, den ich ihnen zugefügt habe, lässt meine verächtlichen und selbstgefälligen Kommentare null und nichtig erscheinen. Die Vorstellung, da gäbe es ein ehrbares und gerechtes Element in meiner Anklage, verpufft bei ihrem Anblick. Drauf geschissen! Ich wende Tom den Rücken zu und gehe zum Auto.
— Viel Glück, Mark, ruft er mir hinterher. — Das meine ich ehrlich.
Ich bin vielleicht ärgerlich auf mich selbst, aber fuchsteufelswild auf diesen Wichser, diesen verfickten Feigling, diesen Kriecher, diesen Bürokratenarsch. — Das, was du sagst, hat verdammt wenig mit dem zu tun, was du meinst, Tom! Ich bezweifle sogar, dass du überhaupt irgendetwas meinst oder so etwas wie eine Meinung hast, zische ich ihn an, während mein Dad aus dem Wagen steigt. — Wenn du mal etwas Sinnvolles machen willst, dann behalt diesen Venters-Penner da drinnen im Auge. Ich wedele geringschätzig mit der Hand, was für einen finsteren Blick im Gesicht meines nahenden Alten sorgt.
— Mein Junge … mein Kleiner … mein süßer Kleiner …, begrüßt mich meine Ma voller Aufregung und krabbelt nach mir auf die Rückbank. Stürmisch umarmt sie mich und stellt mir einen Haufen Fragen, während mein Dad mit Tom redet und ein paar Formulare unterschreibt. Ich hab keinen blassen Schimmer, was das für Dokumente sein könnten. Meine Entlassungspapiere?
Dann kommt mein Dad zurück zum Auto und setzt sich hinters Steuer. — Worüber habt ihr euch gestritten? Du und Mr. Curzon, meine ich.
— Nichts. Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Da drinnen kann es manchmal ziemlich intensiv werden.
— Lustig, genau dasselbe hat er mir auch gesagt, meint mein Dad mit einem Lächeln und schüttelt dabei den Kopf, während in meiner Brust etwas zusammensackt.
— Mein Sohn, mein Junge, mein lieber Junge …, schluchzt meine Ma mit tränenüberströmten Wangen. In ihrem Gesicht prangt ein riesiges Lächeln, das sie um Jahre jünger aussehen lässt. Mir fällt auf, dass ich es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. — Du siehst so gut aus, Junge! Stimmt’s nicht, Davie?
— Das tut er wirklich, meint der alte Herr und dreht sich zu mir um. Er tastet meine durch das Training muskulösere Schulter ab und begutachtet mich, wie es ein Bauer mit einem preisgekrönten Zuchtbullen machen würde.
— Gott sei Dank ist dieser verdammte Albtraum jetzt vorüber!
Ein paar äußerst stressvolle Sekunden lang habe ich Angst, dass der altersschwache Motor nicht anspringen könnte. Aber dann erweckt ihn Dad zum Leben, und ich rezitiere innerlich Dankeshymnen, als wir die Reha-Einrichtung hinter uns lassen. Es haben sich ein paar Leute an der Tür versammelt, um mich zu verabschieden, aber ich schaue nicht zurück. Meine Ma hält meine Hand fest umschlossen in ihrem Schoß und zündet sich alle paar Minuten eine Kippe an. Als wir über die große Brücke zurück nach Edinburgh fahren, erklingt
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