Skagboys 01
im Radio ein mir nur allzu bekanntes Lied, das in verlockenden Tönen von einem Ritt auf dem White Line Highway erzählt.
Die beiden schnallen es nicht mal. Sie sind zu beschäftigt damit, sich über das schöne Wetter zu freuen und davon zu faseln, dass wir jetzt alle wieder nach vorn schauen können. Mein Körper und mein Geist – über sechs Wochen hinweg beständige Säulen im Tempel der Abstinenz – sehnen sich einträchtig und mit Vehemenz nach dem ersten Beutel Skag. Allein der Gedanke daran lässt meine Poren vor Aufregung und Vorfreude literweise gefrorenen Schweiß absondern. Ich kann’s kaum erwarten. Trotzdem nehme ich mir vor, clean zu bleiben. Ihretwillen. Aus irgendeinem Grund tritt mein alter Herr mächtig aufs Gaspedal, sodass in jeder Kurve die Reifen quietschen und Ma und ich immer wieder gegeneinanderstoßen.
Juni 1969 in Blackpool. Noch ähnelt der Mond einem grünen Käse. Doch schon bald wird er schön verpackt und von Yankee-Astronauten hübsch etikettiert ins Gefrierfach wandern. Ein Spaziergang die Golden Mile hinunter. Die schweren Atemzüge von Opa Renton. So viel angespannter und erschöpfter als noch vor einem Jahr, als wir das letzte Mal die Promenade hinunterliefen. Erinnerungen daran, wie wir einmal seine Orden in dieser Tabakdose angesehen haben und er trocken meinte: »Die heften dir nur dieses Metall an die Brust, um die Narben von dem Metall zu verdecken, das sie in deinen Körper gepumpt haben.« Ich weiß noch, wie ich damals dachte: Nein, nein, Opa, es waren die Deutschen, die euch mit Metallkugeln die Körper zerfetzten. Die Briten haben dir die Orden gegeben!
Jetzt wird mir klar, dass der arme Kerl die Sache damals schon durchschaut hatte.
Wir fahren durch die City, Richtung Leith, Richtung Hafen. Es ist noch nicht allzu spät. Die Ladenbesitzer auf dem Walk lassen gerade in eifriger Erwartung des Feierabends die Eisenjalousien vor den Schaufenstern ihrer Geschäfte herunter. Als wir an der Wohnung meiner Eltern ankommen, merke ich sofort, dass etwas im Busch ist. Dann geht das Licht im Wohnzimmer an, und ich starre in ein Meer von Gesichtern: Hazel, Tommy, Lizzie, Second Prize (der ziemlich fit aussieht und eine süße blonde Perle dabeihat), Billy, Sharon, Gav Temperley, Mrs. McGoldrick von nebenan, Billys Kollegen Lenny und Granty. Alle haben sie ein Grinsen in der Fresse und toasten mir mit vollen Champagnergläsern zu. Second Prize hat Orangensaft in seinem Glas, stößt aber trotzdem auf mich an. In der Küche stehen jede Menge Kuchen, Sandwiches und Pasteten mit Miniwürstchen herum, wie man sie normalerweise auf Hochzeiten und Beerdigungen auftischt. An der Wand hängt ein selbst gemachtes Banner mit grünen Buchstaben:
GUT GEMACHT, MARK! WILLKOMMEN ZU HAUSE!
Sicherlich hätten meine alten Herrschaften dieses Banner lieber aus Anlass eines Uniabschlusses aufgehängt, anstatt damit meine Entlassung aus einer Junkie-Reha zu feiern, aber Abschluss ist Abschluss. Mein Vater reicht mir ein Glas Champagner. — Hier, runter damit. Aber mach langsam, hörst du?!
Mach langsam.
Ich schaue auf das orangefarbene Flimmern der Plastik-Holzscheite im Elektro-Kamin und nippe an meinem Glas. Ich fühle, wie der Champagner meinen Rachen hinunterläuft, in meinem Magen landet, von Leber und Nieren verarbeitet wird und dann in meinen Blutkreislauf strömt, um schlussendlich mein Gehirn so leicht wie eine Feder zu machen. Die Blubberblasen schwirren in meinem Kopf herum. Hazel steht neben mir und hat ein anerkennendes Lächeln auf den Lippen, während sie an meinem Arm reibt. — Sind das etwa Muskeln?
— Schätze schon, erwidere ich und hole mir noch ein Glas, obwohl ich ganz genau weiß, dass es das in mir aufkommende Verlangen eher noch verstärken wird. Als ich wieder zu Hazel zurückgehen will, baut sich Tommy vor mir auf und umarmt mich innig. — Lass bloß die Finger von diesem Scheiß, Mark, sagt er fordernd und ist aus irgendeinem Grund außer Atem.
— Definitiv, Tam. Ich habe meine Lektion gelernt.
Das ist noch nicht mal gelogen, denn ich habe tatsächlich eine Lektion gelernt. Es ist bloß nicht die, an die alle Anwesenden denken. — Wie geht’s Spud?
— Frag lieber nicht. So beschissen wie immer. Muss man sich mal vorstellen: Da macht er diesen ganzen Reha-Scheiß durch, und wofür? Für nichts und wieder nichts!
— Verstehe, sage ich mit niedergeschlagener Miene. Innerlich feiere ich aber: Go, kleiner Murphy, go! … Und Matty?
— Dasselbe in Grün,
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