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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Zigarettenkippen. — Willste n Hit?
    — Ja.
    Er öffnet die Schachtel und holt ein paar Utensilien hervor. Er schüttet etwas weißes Pulver aus einem kleinen Plastiktütchen auf einen Löffel und zieht mit einer Spritze Wasser aus der Kaffeetasse auf. Das Wasser spritzt er auf den Löffel, den er anschließend über die brennende Kerze hält. Mit der Kanülenspitze rührt er nun die Brühe auf dem Löffel um, damit sich das Pulver auflöst. Johnny merkt, dass Sick Boy ihn anstarrt, und wirft ihm über die Schulter ein freches Grinsen zu, bevor er eine dieser kleinen Kunststoffzitronen zur Hand nimmt und etwas Zitronensaft ins Wasser träufelt. Er rührt noch eine Weile mit der Nadelspitze in dem Löffel herum und zieht die Flüssigkeit in der Spritze auf.
    Ich hab mich mittlerweile zurückgelehnt und schaue Johnny fasziniert bei seinen Vorbereitungen zu. Auch Sick Boy ist beeindruckt: Wie ein wissbegieriger Student starrt er seinem neuen Mentor auf die Finger. Als Johnny mir aufmunternd zunickt, sitze ich da wie bestellt und nicht abgeholt. Er schnallt sofort, dass ich keinen Plan habe. — Willst du, dass ich das für dich mache?
    — Ja, bitte. Echt saubere Nummer von Swanney, mich nicht auflaufen zu lassen.
    Mit einer ruppigen Bewegung zieht er meinen Arm zu sich ran und legt ihn auf seinem Oberschenkel ab. Johnnys Jeans ist so verdreckt, dass mein Handgelenk daran kleben bleibt. Fühlt sich fast so an, als hätte er sich Honig oder Rübensirup über die Klamotten geschüttet. Er schnürt einen Lederriemen um meinen Bizeps und klopft mit der flachen Hand auf meine Ellenbeuge, damit die Venen hervortreten. Plötzlich zieht eine Schmerzwelle durch meinen Rücken, als wäre gerade wieder ein Schlagstock auf mich niedergesaust, und ein Schaudern fährt durch meinen Körper.
    Das ist ein anderes Level, ein Grenzübertritt.
    Mein Herz rast. Ich meine, es rast so richtig. Eigentlich sind wir mit Franco auf ein Bier verabredet, um ein Fußballspiel zu schauen, und er hasst es, wenn man ihn warten lässt!
    Sag Nein.
    Johnny klopft weiter auf meinem Arm herum, während ich versuche, mich abzulenken, indem ich auf die trockenen Hautschuppen an seinem Haaransatz schaue.
    Begbie. Wir haben uns um neun mit Begbie verabredet!
    Ich denke kurz drüber nach, einfach »Aufhören!« zu rufen, aber ich weiß, dass ich bereits an einem Punkt angelangt bin, an dem ich unmöglich kehrtmachen kann. Wenn Skag wirklich so schnell und so stark abhängig macht, wie alle sagen, dann bin ich eh schon süchtig und ein Junkie.
    Sag Nein.
    Ich denke an die Uni, an mein Studium, an die Philosophiekurse und an Freiheit des Willens versus Determinismus.
    Sag Nein.
    Ich denke an Fiona Conyers aus dem Geschichtskurs. Daran, wie sie ihre langen schwarzen Haare zur Seite streicht und mich mit ihren großen, blassblauen Augen und ihren weißen Zähnen anlächelt …
    Sag Nein.
    Johnny klopft immer noch mit der Beharrlichkeit eines Goldschürfers auf meiner Ellenbeuge herum. — Hast echt beschissene Venen, Junge, sagt er mit einem verzerrten Lächeln.
    Es ist noch nicht zu spät! Noch nicht zu spät, um sich mit ner Entschuldigung zu verziehen. Er hat dir doch gerade nen Ausweg aufgezeigt! Sag einfach Nein, Nein, Nein …
    — Stimmt. Deshalb kann ich auch kein Blut spenden.
    Sag irgendwas anderes … sag einfach Nein, verdammt …
    NEIN, NEIN, NEIN …
    — Kannst du jetzt eh nich mehr, erwidert er lächelnd und sticht die Nadel in meinen Arm. Ich schaue ihn etwas gereizt an, denn der Einstich der Kanüle schmerzt ziemlich. Johnny grinst nur, sodass ich seine verfaulten Zähne sehe. Er zieht den Kolben zurück, und mein Blut läuft in die Spritze. Meine Lippen formen kurz das Wort »Halt!«, aber da drückt er schon den Kolben runter und schießt den gesamten Inhalt der Spritze in meine Vene. Verdutzt schau ich auf den leeren Spritzenkolben und kann gar nich fassen, dass er gerade tatsächlich diesen Scheiß in mich reingepumpt hat.
    Angst klettert in meiner Wirbelsäule nach oben wie Quecksilber in einem Thermometer. Aber dann ist alles auf einmal verschwunden. Ich lächele Johnny an. Noch bevor sich der Gedanke »War’s das etwa schon?« in meinem Kopf formen kann, spült plötzlich eine Art Welle über mich hinweg, und ich glühe. Mein Körper, mein Gehirn und meine Innereien fühlen sich an wie ein Fruchtbonbon, das in einem riesigen Mund zerschmilzt. Mit einem Schlag sind all die Dinge, die in meinem Schädel brannten, alle Ängste, Fragen und

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