Skagboys 01
überrascht, seine Augen wurden riesengroß. Erst starrte er geschockt seinen Bruder an, danach musterte er Alison. — Mike … äh, das ist mein Bruder, erklärte er seinem verdutzten Gesprächspartner, bevor er sich wieder Alexander zuwandte. — Na klar könnt ihr euch dazusetzen, antwortete er und zog einen Stuhl für seinen Bruder heran. — Erzähl, wie steht’s so im Forstwesen?
— Ich arbeite mittlerweile im Bezirksrat, sagte Alexander, während er sich hinsetzte und einen weiteren Stuhl in Alisons Richtung schob.
— Hab schon gehört. Wie läuft es da für dich?, wollte Russell wissen. Alison bemerkte, dass er ihre Beine ansah. Sie versuchte, sich möglichst vorsichtig hinzusetzen, und strich ihr Kleid über den Oberschenkeln glatt.
— Der Job ist gut, aber diese Katastrophe mit den Ulmen macht uns verdammt zu schaffen. Was macht die Pharmabranche?
— Die boomt. Jeder will irgendwas gegen die Schmerzen, antwortete Russell und drehte sich zu dem Mann neben ihm. — Das ist Michael Taylor, er ist mein … Russell zögerte. Es schien, als wollten seine Lippen gerade das Wort »Kollege« formen, doch dann fiel sein Blick auf Michaels Overall. — Er arbeitet mit mir zusammen.
— Nun, das ist Alison, und sie arbeitet auch mit mir zusammen, erklärte Alexander lächelnd. — Fährst du später zu den alten Herrschaften?
— Ja, wollte bald los. Er schwenkte sein Pint.
— Fährst du selbst?
— Nein.
— Dann lass uns doch noch einen trinken und später ein Taxi nehmen, schlug Alexander vor. — Lager?, fragte er Michael und zeigte dabei auf dessen Glas.
Michael schüttelte den Kopf. — Nein, für mich nichts mehr. Danke. Ich muss los. Er stand auf und ließ sein viertel volles Glas stehen. — Russell, wir sehen uns später.
Alexander blickte ihm etwas verwirrt nach und ging dann zur Bar, um eine neue Runde zu bestellen.
— Nun, wie ist es, mit meinem Bruder zu arbeiten?, fragte Russell, als Alexander außer Hörweite war.
— Ähm … ganz gut, sagte sie etwas verlegen. — Allerdings ist heute mein erster Tag.
Als Alexander zum Tisch zurückkam, begannen die Brüder sich zu unterhalten. Alison klinkte sich schon bald aus dem Gespräch aus. Sie blickte auf einen jungen Mann mit schlanker Figur und roten Haaren, der gerade zur Tür hineinkam. Einen Moment lang dachte sie, es wäre Mark Renton. Es war aber nur ein weiteres Produkt aus dieser Kreidebleich-mit-Rotschopf-Fabrik, die irgendwo in Schottland stand.
Sie hatte nie so recht gewusst, was sie von Mark halten sollte. Mittlerweile schien er ganz okay zu sein, aber in der Grundschule war er ein mieser kleiner Stinkstiefel gewesen. Sie erinnerte sich daran, dass er ihr einen ganz besonderen Spitznamen gegeben hatte. Die Jüdin. Er hatte sie stets an die Form ihrer Nase denken lassen. Es fiel ihr schwer, sich Mark als Studenten vorzustellen. Gerade im Vergleich mit Kelly, die sehr bald den gleichen Weg einschlagen würde, war der Gedanke eigenartig. Alison betrachtete die erfolgreichen Birch-Brüder und versuchte zu verstehen, was die beiden ihr voraushatten. Sie war immer gut in der Schule gewesen, auch wenn sie die Hochschulreife am Ende vermasselt hatte. Das war zu der Zeit gewesen, als man das erste Mal Krebs bei ihrer Mutter diagnostiziert hatte. Später würde sie die Prüfungen wiederholen. Bestimmt. Wenn sie sich doch nur konzentrieren könnte. Es schien, als wäre ihr dieses Durchhaltevermögen, diese geistige Ausdauer abhandengekommen. Das machte ihr zu schaffen. Das Leben glich nun einer ständigen Suche nach der nächsten flüchtigen Ablenkung. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Konzentration jemals wiederkehren würde.
Der saure Wein, der in dem schäbigen Pub in Minigläsern serviert wurde, war nach dem Qualitätstropfen in der Weinbar ungenießbar. So war Alison recht froh darüber, aus der Kneipe verschwinden zu können, und bald darauf saß sie mit den Birch- Brüdern in einem Taxi. Auf der Rückbank ging ihr auf, dass sie mit zwei Männern, die sie eigentlich überhaupt nicht kannte, auf dem Weg zur Geburtstagsparty von deren Mutter war.
— Du stinkst, sagte Russell ziemlich direkt zu Alexander.
— Ja, mir ist heute bei der Arbeit etwas Benzin über das Hosenbein gelaufen. Wenn wir bei Ma sind, mach ich das sauber.
Nach einer Weile kamen sie in Corstorphine an und fuhren zu einer gewaltigen Villa aus rotem Sandstein. In der breiten Kieseinfahrt standen schon etliche Autos. Draußen auf der Straße parkten noch mehr.
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