Skalpell Nr. 5
ein, und er drehte sich um: »Darf ich?«
»Klar, mi casa es su casa. «
»Erdnussbutter und Champagner. Das ist alles?«
»Nicht bloß irgendeine Erdnussbutter. Die weiche von Skippy, und der Champagner ist Rosé. Mehr brauche ich nicht für eine ausgewogene Mahlzeit: perlender Fruchtsaft – die Perlung ist ungemein wichtig – und Proteine.«
»Aber als Mahlzeit?«
»Probier’s mal zum Abendessen – oder magst du lieber die mit den kleinen Erdnussstückchen drin? Könnte dir besser schmecken als so ein blutiger Steaklappen, der halb verkohlt ist, weil sie das Ding auf dem Grill eher einäschern als braten.«
»Deine Wohnung ist hübsch. Hat was … Befreiendes.«
»Was Befreiendes?«
»Es gibt keine Ordnung und nicht viel Ballast.«
»Das soll wohl ein Kompliment sein.«
»Soll es. Aber ich persönlich umgebe mich lieber mit meinen Sachen. Hab ich dir schon gesagt, dass derjenige gewinnt, der mit den meisten Sachen stirbt?«
»Musst du schon wieder von Toten anfangen?«
»Ich glaub, ich geh lieber duschen, ehe ich wieder ins Fettnäpfchen trete.«
Während er unter der Dusche stand, kramte Manny eine Jogginghose und ein großes weißes T-Shirt hervor, beides hatte mal Alex gehört. Als sie hörte, dass er das Wasser abdrehte, klopfte sie.
»Ja?«
»Ich hab was zum Anziehen für dich. Passt vielleicht nicht besonders, aber –«
Jake öffnete die Tür. Er hatte ein Handtuch um die Taille geschlungen. Manny registrierte Haare, gute Bauch- und Oberarmmuskulatur. Nicht schlecht. Glotz nicht. Sie reichte ihm die Sachen und zog schnell die Tür wieder zu.
»Wem hat das gehört?«, fragte Jake, als er aus dem Bad kam. Die Jogginghose endete weit über seinen Knöcheln.
»Meinem Exfreund.«
»Und du sagst, ich hätte dir Dinge verschwiegen?«
»Ich hätt’s dir schon noch erzählt.« Sie schaltete den Fernseher ein.
Jake ließ sich in einem der Sessel nieder und sah sich die Lokalnachrichten an, während sie duschte. Sie zeigten Aufnahmen von seinem Haus. Francescas Anwälte wollten eine Einstellung des Verfahrens beantragen, weil der Anschlag in der Öffentlichkeit Sympathien für den Zeugen der Anklage geweckt habe. Blödsinn.
Als Manny aus dem Bad kam, trug sie einen silbrig glänzenden Satinpyjama. Sie hatte die oberen Knöpfe offen gelassen, aber als sie Jake dabei erwischte, wie er auf ihr Dekolleté schaute, machte sie sie zu. »Hunger?«
»Ja, aber kann ich erst noch mal ins Bad?«
»Sicher, aber du hast doch gerade –«
»Nicht deshalb. Ich glaube, ich kann deinen Schminkspiegel zum Leuchtkasten umfunktionieren.«
»Du willst jetzt arbeiten?« Was ist er, ein Neutrum? Ein Kastrat? Fang endlich an zu leben, Mann – aber bloß nicht mit mir.
»Ich muss dir was erzählen, bevor wir … essen.«
Etwas, das wichtiger ist als Sex? »Wenn du mir versprichst, dass wir hinterher … essen.« Sie setzte sich ihm gegenüber.
»Versprochen. Mit den Knochen aus Turner stimmt was nicht. Skelett Nummer zwei, der Oberarmknochen, ist radioaktiv.«
Seine Ernsthaftigkeit ging ihr unter die Haut. Verlangen löste sich in Angst auf. »Was heißt das?«
»Diesem Menschen ist irgendwas Seltsames zugestoßen, ehe er starb. So etwas sieht man sonst bei Opfern aus Hiroschima oder Tschernobyl, wenn sie noch lange genug gelebt haben. Komm, ich zeig’s dir.«
Sie quetschten sich gemeinsam in das kleine Badezimmer. Jake schaltete das Deckenlicht aus und benutzte die Lampen am Schminkspiegel als Lichtquelle. Er zog die Aufnahme des Oberarmknochens aus dem Umschlag, hielt sie gegen das Licht und erklärte ihr, dass die Strahlung des Knochens den Film von allein belichtet hatte, ohne dass das Röntgengerät eingeschaltet worden war. »Das bedeutet, dass irgendetwas Radioaktives in den Knochen eingedrungen ist, und zwar bevor der Mann starb.« Er hielt ein anderes Bild hoch. »Das ist die Kinnlade von Nummer vier. Die Zahnbehandlung ist eigenartig, stümperhaft. Und sieh mal hier« – wieder eine andere Aufnahme –, »das ist die Metallplatte aus Skelett Nummer drei. Lyons. Ich hab gedacht, die Initialen wären A.V.E., deshalb konnte ich den Neurochirurgen nicht ausfindig machen. Der mittlere Buchstabe ist abgeschabt. Die richtigen Initialen lauten A.W.E. – jetzt finden wir ihn bestimmt!«
»Donnerwetter«, sagte Manny tonlos. Sie achtete gar nicht mehr auf die Aufnahmen, sondern starrte ihn an, und all seine Worte über Röntgenstrahlen und Radioaktivität und Knochen rauschten schlicht an ihr vorbei.
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