Skandal um Lady Amelie
konnte, unter den Augen der gaffenden Anwesenden in eine ruhige Ecke des Saals und verkündete: „Madam, Sie werden mit mir zum Büfett gehen, und den nächsten und den letzten Tanz des Abends werden Sie mir freihalten.“
„Sir, das klingt nach einem Befehl. Sie wissen sehr wohl, was man sagen wird, wenn ich mehr als zweimal mit Ihnen tanze.“
„Es ist ein Befehl, und man mag sagen, was man will. Höchstwahrscheinlich redet man sowieso schon.“
Als sie sich forschend umwandte, sah sie, dass er recht hatte. Bisher war sie vorwiegend Herren vorgestellt worden, doch nun steckten vor allem die Damen die Köpfe zusammen, deren Gatten ihnen vermutlich nahegelegt hatten, dass sie es sich gefallen lassen müssten, mit der Dame bekannt gemacht zu werden. Zumindest bei Lady Sergeant samt Tochter musste es wohl so gewesen sein, von denen sie erst jetzt mit falscher Freundlichkeit begrüßt wurde. „Ah, Nicholas“, sagte die ältere Dame herablassend zu Lord Elyot, „hast dir wieder mal ein hübsches Mädel herausgefischt? Na ja, sozusagen direkt vor deiner Schwelle konntest du sie kaum verfehlen, was?“ Sie schlug ihm leicht mit ihrem Fächer auf den Arm und fuhr, Amelie unverschämt musternd, fort: „Hörte, Ihr Gatte hat mit dem Handel zu tun … irgendwas mit Blei, oder?“
Gegenüber offener Unverschämtheit hatte Amelie immer schon angelegentlich geschwiegen, so verhielt sie sich auch hier, doch Lord Elyot konterte: „Sie irren sich, nicht Blei – Lady Chesters verstorbener Gatte hatte mit Gold zu tun, Lady Sergeant. Er war Bankier. Wenn Sie uns nun entschuldigen wollen, Lady Chester gewährte mir den nächsten Tanz, und den möchte ich mir nicht entgehen lassen.“ Eindeutig um die widerwärtige Person zu provozieren, legte er Amelie, bewusst die vertrauliche Berührung suchend, seine Hand an die Taille und führte sie so zur Tanzfläche.
„Bleiminen“, sagte sie leise, als sie ihm auf dem Parkett gegenüberstand.
„Bleiminen?“, wiederholte er.
Die Tanzschritte führten sie dicht zueinander. „In Derbyshire.“
„Gott im Himmel!“, murmelte er und machte zwei Schritte zurück.
„Ich wusste es“, sagte sie, als sie erneut zusammentrafen.
„Was?“ Er nahm ihre Hand.
„Ich hätte zur Feier des Tages auch meine beiden anderen Köpfe tragen sollen“, flüsterte sie, in sich hineinlächelnd.
Seine Antwort ließ sie erröten „Das hieße, Schönheit überbetonen.“
Während sie Hand in Hand ihre Tour an den Tanzpaaren entlang machten, entgegnete sie: „Nein, Mylord, dieser Anblick würde Sie ebenso schockieren wie die anderen.“
„Was ich über Sie erfahre, genügt, um weder schockiert noch überrascht zu sein.“
Sie wurden durch die Schrittabfolge getrennt, sodass sie nicht antworten konnte, doch beim nächsten Zusammentreffen mussten sie mit ineinander verschränkten Armen die Reihe der Tanzenden entlangschreiten, und als sie ihm so näher denn je zuvor war, verhieß ihr sein Blick, dass dieses Nebeneinander das Vorspiel zu noch intimerer Nähe sei. Sie spürte den Druck seiner Hände um ihre Taille, spürte unter ihren eigenen Fingern die harten Muskeln seiner Arme, mit denen er sie einer Feder gleich hätte hochheben können, und plötzlich wurde dieser Tanz für sie zum Sinnbild männlicher Kraft und Stütze und … verzauberte sie. Sinnlos, es sich nicht einzugestehen.
Als die Musik verstummte, führte er sie von der Tanzfläche und sagte: „Ich werde Sie nun Lady Oglethorpe und ihrer langweiligen Tochter vorstellen.“
„Ach lassen Sie das bitte“, entgegnete Amelie, sich von ihm lösend. „Ich ziehe es vor, mir meine Freunde selbst auszusuchen.“
„Sie wissen sehr gut, dass das in diesem Geschäft nicht geht – und die Gesellschaft ist ein Geschäft. Um ihrer Nichte willen brauchen Sie möglichst viele Bekanntschaften. Es kostet Sie nichts, die Damen kennenzulernen.“
Doch hier irrte er sich, denn es kostete Amelie viel, die verletzenden Bemerkungen zu schlucken, mit denen sie rechnen musste und die auch prompt von Mrs. Oglethorpe kamen.
„Ah, aus dem Norden“, sagte sie, die Derbyshire nicht besser kannte als den Nordpol, „wo sie die Säle mit Hirsch-köpfen pflastern, nicht wahr? Und Bärenfelle als Bettdecken, oder?“
„Da wissen Sie mehr als ich, Lady Oglethorpe“, antwortete Amelie gelassen. „Ich hoffe, Ihr Kutscher konnte letztens die Pferde noch bändigen? Wissen Sie, ich lasse meine Pferde stets bei Tattersalls besorgen, was natürlich
Weitere Kostenlose Bücher