Skandal um Lady Amelie
auch an Caterina, die sich, als sie ihren Namen hörte, umgewandt hatte.
Natürlich unterbrach sie sofort ihr Gespräch mit Lord Seton und begann zu betteln, dringlicher, als es Amelie klug erschien. „Ach, Tante, bitte, bitte … bitte, lass uns zusagen.“
Wie Amelie wohl bemerkte, hob auch Lord Seton verwundert eine Braue, stimmte dann aber in Caterinas Bitten ein. „Miss Chester würde es bestimmt nicht an Partnern mangeln, und Ihnen auch nicht, Mylady, und Sie dürfen ganz beruhigt sein, mein Bruder und ich gäben Ihnen das gehörige Geleit. Wir würden Sie abholen und Sie später auch sicher wieder heimbegleiten, und ich kann versprechen, dass wir keine Reitstiefel tragen werden.“
Während Caterina kicherte, sah Amelie sich in der Falle, denn sie dachte an die arme Frau, der sie hatte zur Freiheit verhelfen wollen. Eigentlich war sie fest entschlossen gewesen, heute Abend zusammen mit einem ihrer Bediensteten noch einen Versuch zu wagen, die Schwangere auszulösen; nun müsste sie diesen Plan abermals aufschieben oder gar ganz aufgeben.
Die Zweifel mussten sich auf ihrem Gesicht gespiegelt haben, denn als sie Lord Elyot ansah, erwiderte er ihren Blick, als ob zwischen ihnen schon ein gewisses Einverständnis bestünde. „Ah, keine Sorge“, sagte er sehr leise, „Miss Chester wäre bei uns in guter Obhut.“
Am liebsten hätte sie gefragt: ‚Und ich, wäre ich bei Ih nen sicher, die Sie den Auftrag haben, mir nachzuforschen?
Würde ich entdeckt? Würde Ihre Freundlichkeit erkalten? Wäre damit ein kurzes Intermezzo in der Richmonder Gesellschaft beendet?‘
Noch etwas machte ihr Kummer, etwas, an das sie kaum zu denken wagte, aus Furcht, ihre Gedanken könnten Wirklichkeit werden. Seine Stimme, seine sichtlich vertraulichen Blicke. Sein verheerend gutes Aussehen. Sie würden miteinander tanzen, er würde ihre Hand halten. Sie war verloren. Gewiss war er in diesem Spiel sehr bewandert, und sie selbst war jämmerlich ungeübt und verletzlich.
„Ja“, flüsterte sie, „das glaube ich Ihnen, Mylord.“
„Sagen wir, um acht? Es gibt stets ein recht ordentliches Büfett dort.“
„Wir werden fertig sein. Ich danke Ihnen.“
Zum Glück konnte Caterina ihren Freudenjuchzer unterdrücken, bis man die Besucher hinausbegleitet hatte. Dann rief sie: „Ach, denk nur, ihr Vater ist ein Marquis, und sie leben auf Sheen Court. Auf einer unserer Ausfahrten sind wir an dem Tor vorbeigekommen! Erinnerst du dich, Tante? Du fragtest noch, wer hier wohl auf so großem Fuße leben könnte! Sie sind es! Oh, was soll ich nur anziehen?“
„Ein Marquis? Dann ist ihre Mutter …?“
„Die Marchioness of Sheen.“ Caterina drehte eine wilde Pirouette, sie sah schon sämtliche Beaus bei ihr um einen Tanz anstehen.
„Tonangebend in der Richmonder Gesellschaft“, murmelte sie.
„Wie bitte, Tante?“
„Oje“, flüsterte sie.
In ihrem offenen Zweisitzer fuhren die beiden Herren stillvergnügt, wenn nicht gar selbstzufrieden zurück nach Sheen Court. „Das ging doch dieses Mal recht gut“, meinte Lord Seton. „Ein Fortschritt, meinst du nicht?“
„Zumindest eine Verbesserung. Doch sie ist immer noch sehr auf der Hut.“
„Nun, wir werden sehen, wie sie sich heute Abend aufführt.“ Er wechselte das Thema. „Ich werde Todd mitteilen, dass wir die Kutsche brauchen.“
„Nimm einen anderen Kutscher, Todd muss für ein paar Tage hoch in den Norden, er soll sich mal umhören. Nun sag mir bitte, warum sollten in einem kleinen Ort die Nachbarn so heftig über eine reiche junge Witwe herziehen, dass sie sich bemüßigt fühlt wegzuziehen?“
„Irgendein Skandal, meinst du nicht?“
„Das war auch mein Gedanke. Aber man wird sehen.“
„Ah, deshalb schickst du Todd Richtung Manchester – er soll ihren Hintergrund ein wenig ausforschen, was? Ist es dir so ernst?“
„Ja.“
„Und warum kannst du sie nicht einfach fragen?“ Auf den herausfordernden Blick seines Bruders hin zog er es vor, das Thema nicht weiter zu verfolgen. „Werden wir, wie du geplant hattest, auch noch das Arbeitshaus besuchen?“
„Es ist unsere Pflicht, wie du weißt, und ein zweiter Eindruck kann dir nicht schaden. Greifst du mal unter den Sitz? Da liegt ein Paket mit Windeln, die sollen wir abliefern. Sind aus Dornas Nähkränzchen.“ Und dann, als könnte er die Bemerkung einfach nicht mehr unterdrücken, sagte er unvermittelt: „Aber ich muss wirklich sagen, Bruder, eine so umwerfende Frau wie sie ist mir im Leben
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