Skandal um Lady Amelie
überlegte einen Moment, ob sie ihre Nichte ins Vertrauen ziehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch, denn Caterina wäre mit diesen Problemen sicherlich überfordert.
„Du hast was?“, rief Lord Seton ungläubig auf die gelassene Eröffnung seines Bruders hin. „Du hast dich schon gebunden? Also, Nick, ich weiß, dass du schnell bist, aber das ist fast unanständig übereilt.“
„Himmel, Brüderchen, jeden Tag klingst du mehr wie Vater“, murmelte Lord Elyot.
„Nein, denn Vater würde dich erinnern, dass du eine solche Bindung nicht eingehen solltest, ohne zuvor seinen Rat einzuholen – der da lautet: Die Sache wird nicht gut gehen. Hast du dich deshalb so beeilt?“ Er grinste boshaft.
Sie ritten durch das schwere, schmiedeeiserne Tor der Auffahrt nach Sheen Court, und Nick antwortete erst, nachdem sie es passiert hatten. „Der Eindruck trügt. Aus bestimmten Gründen musste ich das Tempo etwas anziehen. Außerdem ist diese Frau anders.“
Stirnrunzelnd musterte Seton seinen Bruder von der Seite, suchte jedoch das erwartete triumphierende Grinsen auf dessen Gesicht vergebens, woraus er schloss, dass es tatsächlich so sein musste. Neugierig sagte er: „Na, dann zieh die Zügel ein wenig an und erzähl. Hast du wahrhaftig um sie angehalten ? Was ist mit dem üblichen zwanglosen Arrangement?“
„Sie zu meiner Geliebten machen? Das wäre verflixt schlecht bei ihr angekommen. Außerdem ist dummerweise verbreitet worden, dass Lady Chester und ich ein Einvernehmen haben. Frag nicht – mir steht es im Moment nicht frei, das zu erklären, und im Grunde passt es recht gut in meine Pläne. Leider könnten Vater und Mutter davon erfahren, ehe ich es ihnen selbst sage.“
„Es wird ihnen überhaupt nicht gefallen. Schreib ihnen besser.“
„Ja, ich muss Todd heute Nachmittag sowieso wegen einer anderen Sache hinschicken. Komm, Junge, schau nicht so kritisch! Seit Jahren liegen sie mir damit in den Ohren, dass ich heiraten soll, also kann ich es genauso gut endlich angehen.“
„Hm, das klingt, als wärest du dir ihrer nicht ganz sicher. Mag sie etwa nicht?“
„Das ist alles ziemlich kompliziert, Seton. Ich werde es dir später mal erzählen, aber du musst wissen, dass sie teils zugestimmt hat, weil es Miss Chester Zugang zur Richmonder Gesellschaft gewähren wird, was bisher nicht so recht in Gang gekommen ist.“
„Und der andere Teil?“ Als Nick nicht sofort antwortete, fuhr er fort: „Ah, du hast sie irgendwie in der Hand. Sie musste dich erhören, um dich zum Schweigen zu verpflichten. Nicht ganz dein Stil, was? Und wie lange, wenn ich fragen darf, soll diese … Verlobung … dauern? Bis du dir ein neues Täubchen schnappst?“
„Nein, kein neues mehr. Diese Frau oder keine.“
„Ha, und glaubt sie dir das?“
„Nicht ein Wort. Im Augenblick würde sie davon überhaupt nichts hören wollen.“
Inzwischen hatten sie die Ställe erreicht, und zwei Stallknechte kamen in den Hof gerannt, um die Zügel zu übernehmen. Die beiden Männer stiegen ab und wandten sich dem Haus zu.
„Mir scheint, du sitzt ganz schön in der Tinte, mein Guter. Dich einem Diamanten reinsten Wassers samt Nichte zu verpflichten, kann doch nur zu Ärger führen, vor allem, wenn die Dame unwillig ist. Na ja, meistens weißt du, was du tust. Auf meine Diskretion kannst du dich jedenfalls verlassen.“
„Ich weiß, danke, Bruder. Falls unsere Schwester fragt – im Moment werden Lady Chesters Angelegenheiten in Augenschein genommen und nötigenfalls geklärt. Derweil wird man sie generell in meiner Begleitung sehen, noch ehe Ankündigungen in der Zeitung erfolgen. Das sollte unseren Eltern Zeit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich es ernst meine.“
„Aber Vater wird glauben, dass sie … du weißt schon …“ „Bis er sie sieht; das wird ihn bekehren. Hat es dich ja auch.“
Dem langen Seufzer, den Seton ausstieß, folgte ein neidvolles Grollen. „Ich wünschte nur, die kesse Miss hätte halb so viel Stil wie ihre Tante. Sie ist ja ein niedliches Ding, aber manchmal möchte ich sie am liebsten übers Knie legen.“
„Dann bist du zu nett zu ihr“, sagte sein Bruder, während er einem Lakaien Hut, Handschuhe und Reitgerte übergab.
„Verdammt, ich sollte doch nett zu ihr sein!“
„Nutz deinen Kopf, Seton! Wenn die Kleine eine feste Hand braucht, scheue dich nicht! Sie wird nicht gleich zerbrechen.“
„Meinst du nicht, sie würde zu ihrer Tante laufen und sich ausweinen?“
Lord
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