Skandal um Lady Amelie
die größten Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. Deshalb bitte ich Sie, ehe ich zustimme, um eines: Bieten Sie mir niemals Geld! Denn dann wäre ich nicht besser als eine ausgehaltene Frau. Eine Hure, um es deutlich zu sagen. Wissen Sie, ich schätze meine Unabhängigkeit.“
Ob sie sich dieses Mal wohl zu freizügig geäußert hatte? Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie dieses Wort noch nie ausgesprochen. Er jedenfalls verzog keine Miene.
„Madam, ich werde Ihnen nie etwas anbieten, dessen Sie nicht bedürfen. Beruhigt Sie das?“
Diese geschickt formulierte, wenn auch zweideutige Antwort gab ihr das Gefühl, undankbar zu sein. Anstatt ihn zu warnen, hätte sie ihm danken sollen, dass er ihr aus gleich mehreren Klemmen half. Trotzdem konnte sie beim besten Willen keinen Unterschied zwischen den erpresserischen Methoden Ruben Hursts und denen Lord Elyots entdecken, außer dass der eine ein widerlicher, verräterischer Mörder und der andere ein attraktiver, doch herzloser Frauenheld war, dessen Antrag sie nicht ganz so sehr beleidigte, wie er sollte.
Und was ihre unerfüllten Bedürfnisse anging, würde er hoffentlich nie erfahren, wie sehr das auf sie zutraf, und ihre größte Furcht war, dass er es herausfinden könnte.
„Ja“, sagte sie endlich, „das beruhigt mich. Ich danke Ihnen. Doch nun dürfen wir die Geduld Ihres Bruders nicht länger strapazieren. Allerdings höre ich kein Klavierspiel. Glauben Sie wohl …?“
„Das mag daran liegen, dass die beiden dort draußen sind“, sagte er trocken, denn gerade hatte er durch das Fenster Miss Chester erspäht, die seinen Bruder zu dem Sommerhaus an einer Ecke des weiten Rasens führte. „Sollen wir auch hinausgehen?“
Durch die hohen Fenstertüren gelangte man auf eine breite Terrasse, von der aus ein paar Stufen in den Garten führten. Amelie nahm seinen dargebotenen Arm, und irgendwie empfand sie diese Geste nach dem Vorangegangenen als ausgesprochen tröstlich. „Was werden Sie wegen Ihres Vaters tun?“, fragte sie leise. „Wird er nicht Ergebnisse Ihrer Nachforschungen erwarten?“
„Solange die Sache nur geklärt wird, wird er sich mit meiner Art der Handhabung zufriedengeben.“
„Danke. Und wird er Ihre Wahl bezüglich Ihrer Mätresse … äh … Gattin billigen?“
Am Fuß der Treppe angekommen, zog er ihren Arm fester an sich. „Was für ein schöner Garten“, sagte er. „Natürlich haben Sie ihn selbst entworfen, nicht wahr?“
Das ist ja alles schön und gut, dachte Amelie, doch was geschieht, wenn er der Vorspiegelungen müde ist oder eine Frau findet, die er wirklich liebt, wirklich heiraten will? Würde sie sich dann unauffällig zurückziehen müssen in ein Halbweltleben wie Mrs. Fitzherbert, die „Gemahlin“ des Prinzregenten? Konnte es für sie beide überhaupt eine gemeinsame Zukunft geben – hier sie mit ihren peinlichen Verbindungen zu Industrie und Handel, dort er mit seinen adeligen Mätressen, und im Hintergrund immer die Gefahr einer Schwangerschaft, obwohl er vermutlich angesichts ihrer kinderlosen Ehe damit nicht rechnete? Nein, Mylord, nein, Sie kennen die Wahrheit nicht.
„Ja, selbst entworfen“, entgegnete sie ruhig, „doch noch nicht vollendet, wie Sie gewiss sehen.“
5. KAPITEL
Die Bedürfnisse Miss Caterina Chesters waren völlig anderer Art, und falls sie diesbezüglich gern den Rat ihrer Tante gesucht hätte, so war der Zeitpunkt ungünstig – die gute Dame führte ein Gespräch unter vier Augen mit Lord Elyot.
Lord Setons Begeisterung für Klaviermusik schien verraucht, und trotz Caterinas Aufforderung, sich doch näher zu ihr zu setzen, ging er ihr weder beim Umblättern der Noten zur Hand, noch nutzte er aus, dass sie so nah beieinander saßen. Nicht einmal nach ihrer Hand tastete er oder sah ihr tief in die Augen.
In Buxton hatten sie und ihre jüngere Schwester über einen Tross getreuer Anhänger geboten, deren Kunst des Tändelns sich weitgehend in den gehörigen Grenzen hielt. Doch Lord Seton war eine Klasse für sich; er war ein Mann, der erste attraktive Mann , der sich für sie interessierte, und ihre Verliebtheit wuchs von Tag zu Tag – und damit ihre Ungeduld.
„Darf ich Sie etwas fragen, Lord Seton? Ohne dass Sie mich für vorwitzig halten?“
„Eventuell“, sagte er in gelangweiltem Ton, ein Gähnen unterdrückend.
„Eventuell was? Dass Sie mich für vorwitzig halten?“
„Äh, nein … nein. Worum geht es denn?“
„Darf ich Sie fragen, wie alt Sie
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