Skandal
Bibliothek wesentlich lauter als sonst. Tatsächlich wurde die Stille im Raum immer drückender. Wenn er jetzt darüber nachdachte, erschien es ihm im ganzen Haus ungewöhnlich still.
Es war seltsam, wie sehr Emilys Stimmungen das Personal zu beeinflussen schienen. Abgehärtete Männer, die früher einmal bis zu den Knöcheln im Blut gewatet hatten, liefen jetzt durch die Gegend und pfiffen vor sich hin oder schauten griesgrämig, je nachdem, ob ihre Herrin gerade lächelte oder niedergeschlagen war. Es war einfach lachhaft.
Simon stand von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch auf und stellte sich ans Fenster. Es war unvermeidlich, nahm er an, daß der Kobold früher oder später lernen mußte, wo seine Nachsicht entschieden ihre Grenzen hatte. Emily hatte eine beunruhigende Neigung, unbekümmert durch das Leben zu gehen und ihre albernen romantischen Vorstellungen auf alles und jeden zu übertragen. Sie war von Natur aus optimistisch und ständig darauf aus, daß alles gut ausging.
Sie hatte außerdem die schlechte Angewohnheit zu glauben, sie könnte ihn durch Schmeicheleien dazu bewegen, alles zu tun, was sie wollte. Dieser Glaube hatte sich offensichtlich seit der glutvollen Begegnung letzte Nacht hier in der Bibliothek beträchtlich verstärkt.
Simons Blick fiel kurz auf das goldene Satinkissen, auf dem Emily in seinen Armen gelegen und verzweifelt ihre Finger in weiße Seide gegraben hatte. Bei der Erinnerung spürte er, wie er steif zu werden begann. Ein derart erregendes Geschöpf wie seinen betörenden grünäugigen Kobold hatte er in seinem ganzen Leben nicht getroffen.
»Mylord?«
Simon blinzelte, um das Bild zu vertreiben und seine Selbstbeherrschung wiederzufinden. Er wandte den Kopf und sah über die Schulter seinen Butler an, der in der Tür stand. »Was ist, Greaves?«
»Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß, Sir. Ich habe angeklopft, aber Sie haben mich anscheinend nicht gehört.«
»Ich war in Gedanken verloren«, sagte Simon ungeduldig. »Was wollen Sie?«
Greaves hüstelte diskret, und sein vernarbtes Gesicht sah noch abschreckender aus als sonst. »Ich glaube, da gibt es etwas, was Sie wissen sollten, Sir. Lady Blade hat George, dem Diener, äh, gewisse Anweisungen erteilt.«
»Was für Anweisungen?« Simon trat wieder hinter seinen Schreibtisch.
»Sie hat George gebeten, in Verbrecherkreisen jemanden für sie zu finden, der in der Kunst des Entführens bewandert ist.«
Simon sah schnell auf und starrte seinen Butler voller Verblüffung und Bestürzung an. »Einen Entführer! Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher, Sir. George war, wie Sie sich vorstellen können, außer sich vor Entsetzen. Er ist augenblicklich zu mir gekommen, und ich habe mich sofort auf den Weg zu Ihnen gemacht. Es scheint, als wolle Mylady sich mit einem erfolgreichen Gauner treffen, der für kurzfristige Aufträge zu haben ist. Vielleicht stellt sie Nachforschungen für ihr episches Gedicht an, Sir?«
»Und vielleicht hat sie beschlossen, gewisse Dinge selbst in die Hand zu nehmen«, murmelte Simon. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und griff nach Feder und Papier. Eilig verfaßte er ein Schreiben.
Madam,
ich habe Interesse an dem speziellen Auftrag, den Sie anzubieten haben. Treffen Sie mich heute um Mitternacht auf dem Dark Walk in Vauxhall. Tragen Sie einen weißen Fächer bei sich. Ich werde Sie finden, und dann werden wir die Bedingungen aushandeln.
Herzlichst
X.
PS: Nehmen Sie die Kutsche Ihres Mannes, und bringen Sie Ihre Zofe mit.
Simon überflog die Nachricht, faltete sie sorgsam zusammen und reichte sie Greaves. »Sorgen Sie dafür, daß Lady Blade das in etwa einer Stunde erhält. Und machen Sie sich keine Sorgen, Greaves. Die Situation ist unter Kontrolle.«
»Ja, Mylord.« Greaves schien halbwegs erleichtert zu sein. Simon wartete, bis sein Butler die Bibliothek verlassen hatte, ehe er aufstand, um sich ein Glas Bordeaux einzuschenken.
Das kam davon, wenn man Frauen zu nachsichtig behandelte. Es war an der Zeit, daß Emily eine sehr wichtige Lektion lernte.
14
Das Feuerwerk, das den Himmel über den Vauxhall Gardens erleuchtete, war eine willkommene Ablenkung, nicht nur für Lizzie, sondern auch für Emily. Eine solche Pracht hatte sie noch nie gesehen, und trotz ihrer Sorge hielt sie immer wieder an, um jeden leuchtenden Farbenregen zu betrachten. Kaskaden aus Licht ergossen sich vom Himmel, und das laute Knallen wurde teilweise von den Klängen des lebhaften Orchesters und dem Jubel
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