Skandal
der Menge übertönt.
Es war ein faszinierendes Schauspiel, und Emily wäre durch und durch davon gefangengenommen worden, wenn sie nicht weit Wichtigeres hätte erledigen müssen.
»Gott steh uns bei, Ma’am, aber so etwas habe ich in Little Dippington nie gesehen.« Lizzie sah ehrfürchtig zu, wie ein weiteres Spektakel aus Feuer und Licht den Nachthimmel erhellte.
»Ja, ich weiß, Lizzie. Es ist wirklich wunderbar, aber wir dürfen keine Zeit vertrödeln. Wir müssen den Dark Walk finden.«
»Der ist am hinteren Ende des Geländes, Ma’am«, sagte Lizzie prompt. »Er ist ganz dunkel und sehr schmal noch dazu, nicht so wie der Weg, auf dem wir jetzt gehen. Er ist von Bäumen und Sträuchern umgeben. Man hat schon von jungen Damen gehört, die vom Weg geschleppt worden sind, direkt in die Büsche, und da sind sie dann vergewaltigt worden.«
Emily warf ihrer Zofe einen argwöhnischen Blick zu. »Wie kommt es, daß du so viel über den Dark Walk weißt, Lizzie?«
»George, der Diener, hat mich in der Nacht hierher gebracht, in der Sie zum Ball bei den Northcotes gegangen sind«, vertraute ihr Lizzie mit einem fröhlichen Grinsen an. »Er hat mir ein Eis gekauft, ganz im Ernst.«
»Ich verstehe.« Emily zog sich den Schal enger um die Schultern und bemühte sich, einen strengen Eindruck zu erwecken, aber sie war unwillkürlich ein wenig neidisch auf ihre Zofe. Die Vorstellung, Eis zu essen und mit Simon über den Dark Walk zu promenieren, reichte aus, um all ihre natürlichen romantischen Impulse wiederzubeleben. »Dann wirst du mir ja den Weg zeigen können.«
»Dort entlang, Ma’am.«
Lizzie tauchte in die Dunkelheit ein. Emily folgte ihr und sah sich voller Unbehagen um. Je weiter sie und ihre Zofe sich von den großen Spazierwegen entfernten, desto weniger Laternen standen da. Kichern, kleine, spitze weibliche Schreie und männliches Gelächter drangen aus den Büschen, die den Pfad säumten.
Schließlich erreichten Emily und Lizzie den schmalen, von Bäumen gesäumten Dark Walk. Vereinzelte Paare schlenderten dort umher und waren in ihrer ganz eigenen Welt versunken. Ein junger Mann vor ihnen auf dem Pfad senkte den Kopf und sagte seinem Mädchen etwas ins Ohr. Sie kicherte, schaute sich um und folgte ihrem Begleiter dann ins Unterholz. Das Paar war prompt nicht mehr zu sehen.
»Genauso, wie ich es Ihnen gesagt habe, Ma’am. Überall lungern Vergewaltiger herum und warten nur darauf, unschuldige junge Frauen zu erhaschen«, flüsterte Lizzie mit einer aufgeregten Stimme.
»Bleib dicht an meiner Seite, Lizzie. Wir wollen doch nicht, daß dich jemand entführt. Wo fände ich eine andere Zofe, die so geschickt ist wie du?«
»Ja, das ist wohl wahr.«
Jetzt war kein anderer Mensch mehr zu sehen. Emily schaute sich um und sah nur die nächtlichen dunklen Bäume. Unbeabsichtigt rückte sie ihrer Zofe näher.
»Vergessen Sie nicht, Ihren Fächer zu zeigen, Ma’am«, sagte Lizzie, und ihre Stimme klang ein wenig bedrückt, weil sie sich jetzt allein auf dem Dark Walk befanden. »George hat ausdrücklich betont, daß Sie ihn mitnehmen sollen. Er hat gesagt, daran wird dieser Berufsverbrecher Sie erkennen.«
»Ach ja. Der Fächer.« Emily entfaltete hastig den weißen Fächer mit dem schicken Drachenmotiv darauf. Sie wedelte emsig damit herum. »Ich hoffe nur, George wußte, was er tat, als er diese Person aus Verbrecherkreisen anheuerte.«
»Nehmen Sie es mir nicht übel, Ma’am, aber ich hoffe nur, Sie wissen, was Sie tun. Wir unternehmen hier etwas ganz Seltsames, wenn ich das einmal so sagen darf.«
»Sei nicht so frech, Lizzie.« Aber in Wahrheit gelangte Emily allmählich auch zu dieser Auffassung. Der Plan war ihr perfekt erschienen, als sie ihn in der Sicherheit ihres eigenen Schlafzimmers entworfen hatte, aber jetzt gestand sie sich ein, daß sie einige Bedenken hatte. Sie hatte wirklich keine Ahnung, wie man mit Berufsverbrechern umgeht. Als sich plötzlich auf dem Weg etwas rührte, zuckte sie zusammen.
>>Verdammt und zum Teufel.« Emily unterdrückte einen kleinen Aufschrei, als ein junger Kerl aus den Büschen gesprungen kam und direkt vor ihr stehenblieb. Lizzie schrie vor Angst auf und klammerte sich an Emilys Arm.
»Sind Sie die Dame mit dem weißen Fächer?« erkundigte sich der Bursche.
»Ja«, sagte Emily und versuchte, ihren rasenden Puls wieder zur Ruhe zu bringen. »Und wer sind Sie?«
»Das spielt keine Rolle. Sie müssen sich hier geradeaus in die Büsche schlagen.
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