Skandal
Ratgeber für Sie, da Ihr Herr Vater so häufig abwesend ist«, sagte Prendergast in einem unheilvollen Tonfall. »Und mir ist zu Ohren gekommen, daß wir hier in der Gegend einen Besucher haben, der Sie in der letzten Zeit doch eher häufig gesehen hat.«
»Sie schockieren mich, Sir. Ich hatte keine Ahnung, daß Sie es sich zur Aufgabe gemacht haben, dem Klatsch in dieser Gegend Gehör zu schenken. Ich bin sicher, es muß furchtbar anstrengend sein, auf dem laufenden zu bleiben.«
Prendergast schnaubte und schaute sie mit finsterer Miene einschüchternd an. Es war allgemein bekannt, daß Mrs. Prendergast zu ihren Lebzeiten ein kleines graues Mäuschen gewesen war, das im Traum nicht darauf gekommen wäre, eine so schnippische Bemerkung von sich zu geben.
»Jetzt sehen Sie mal, junge Dame. Mir ist nur zu bewußt, wie sehr sich eine Frau von romantischen Aufmerksamkeiten, mit denen Blade Sie derzeit überschüttet, den Kopf verdrehen lassen kann, Miss Faringdon, wenn Sie mir diese Worte nicht übelnehmen.«
»Aber ich nehme es Ihnen übel, Sir. Ich will damit sagen, hüten Sie Ihre Zunge.« Emilys Lächeln wurde strahlend und gehässig, als die Wut sich in ihr zu entzünden begann. Prendergast war auf dem besten Wege, ihr die wenige Zeit zu verderben, die ihr mit Simon noch blieb.
Prendergasts schweres Gesicht erstarrte zu einem donnergrollenden Ausdruck, den Emily auch ohne ihre Brille recht deutlich erkennen konnte.
»Ich spreche nur aus tiefster Sorge um Ihren Ruf, Miss Faringdon.«
»Es ist allgemein bekannt, daß mein Ruf bereits irreparabel geschädigt ist, Sir. Seien Sie so nett, sich darum keine Sorgen zu machen.«
»Aber, aber, so hart dürfen Sie sich nicht verurteilen«, schalt Prendergast sie aus. »Es ist schon wahr, daß es in Ihrer Vergangenheit einen schmutzigen kleinen Skandal gegeben hat. Aber Sie waren jung und dumm, und Sie haben einen Fehler gemacht. Solche Dinge stoßen jungen Mädchen eben zu. Ich als ein Weltmann, der nicht ohne Erfahrung darin ist, temperamentvolle Frauen zu erziehen, bin bereit, den Vorfall zu übersehen.«
»Das ist allzu gütig von Ihnen, Sir.«
»Ja doch, das kann man wohl sagen. Blade wird dazu selbstverständlich nicht in der Lage sein. Er muß an den Namen seiner Familie und an seinen Titel denken, verstehen Sie.«
Emilys Finger umklammerten die Griffe ihres Fächers. »Ich bitte Sie, machen Sie sich nicht die Mühe, mir weitere Ratschläge zu erteilen, Sir.«
Prendergast richtete sich zu seiner vollen Körpergröße auf. Er ragte über Emily auf, und sein Korsett knirschte. »Miss Faringdon, Sie haben Ihrem leidenschaftlichen Überschwang schon einmal erlaubt, mit Ihnen durchzugehen, und damit haben Sie sich gesellschaftlich zugrunde gerichtet. Sie haben doch gewiß nicht die Lektion vergessen, die dieser beklagenswerte Vorfall Ihnen erteilt hat.«
»Ich versichere Ihnen, daß ich nichts, aber auch gar nichts vergessen habe«, sagte Emily durch die Zähne. »Aber allmählich verärgern Sie mich, Sir.«
»Miss Faringdon, Sie mißverstehen mich. Meine Absichten sind durchaus ehrbar. Ich möchte Ihnen lediglich beistehen, indem ich Ihnen für Ihre doch recht temperamentvollen Neigungen ein respektables Ventil anbiete.« Er griff nach ihrer Hand und quetschte sie zwischen seinen feuchten fleischigen Handflächen.
»Lassen Sie bitte meine Hand los, Sir.« Emily bemühte sich erfolglos, ihre Finger aus seinen Schweißhänden zurückzuziehen.
Prendergast mißachtete ihre Bemühungen, und seine Finger schlossen sich schmerzhaft fest um ihre. Er beugte sich weiter zu ihr vor, bis sein schlechter Atem und sein aufdringliches Parfüm sein Opfer nahezu überwältigten. Dann senkte er die Stimme zu einem vertraulichen Tonfall.
»Miss Faringdon, mir ist vollkommen begreiflich, wie schwierig es für eine Frau von Ihrer glühenden Lebhaftigkeit sein muß, sich gezwungenermaßen den deprimierenden Einschränkungen zu unterwerfen, die die Gesellschaft ihr auferlegt. Ich habe das sichere Gefühl, daß Sie als verheiratete Frau weit glücklicher wären. Innerhalb des Ehebetts, das durch das Sakrament geheiligt ist, könnten Sie jenen Impulsen freien Lauf lassen, die Sie jetzt zwangsweise unterdrücken müssen.«
»Sir, wenn Sie mich nicht augenblicklich in Ruhe lassen, gelobe ich Ihnen, daß ich mich gezwungen sehe, etwas Drastisches zu unternehmen.«
Aber Prendergast war jetzt ganz in seiner Mission aufgegangen.
»Sie brauchen einen Mann, der Ihren Überschwang an
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