Skandal
erkennen zu lassen, die sich unter der Decke zusammengekauert hatte. Zweifellos fror sie, und Simon sagte sich, es sei nicht in seinem Interesse, wenn sie krank wurde. Eine kränkelnde Frau wäre eine echte Last gewesen.
Er dachte darüber nach, wie er Emily am besten in das warme Bett locken könnte. Ihm war durchaus klar, daß nur ihr Stolz sie auf dem Stuhl verharren ließ. Aber Stolz war eine sehr große Kraft, wie er aus persönlicher Erfahrung wußte. Manchmal war das alles, was einem noch blieb.
Es bestand kein Anlaß, Emily heute nacht über Gebühr leiden zu lassen, beschloß Simon. Ihr weiblicher Stolz würde ohnehin demnächst einen gewaltigen Schlag abkriegen. Dazu würde es kommen, wenn sie schließlich gezwungen war, ihre Niederlage in diesem Kleinkrieg einzugestehen.
Er bedauerte es, daß er ihr die Demütigung zufügen müßte, die ihr bevorstand, wenn sie sich schließlich ergab. Aber dagegen ließ sich nichts machen. Sie würde auf die harte Art lernen müssen, daß er beabsichtigte, in seinem eigenen Haus und in seinem eigenen Bett der Herr zu sein.
So oder so war Emily diejenige, die die Gefechtslinien gezogen hatte, als sie das voreilige Gelübde abgelegt hatte, ihm seine Rechte im Bett nicht zu gewähren. Anscheinend hatte sie noch genug von einer Faringdon in sich, um zu glauben, sie könne ihn manipulieren, dachte Simon grimmig. Dieses Element ihres Charakters würde er schon bald auslöschen. Sie würden beide glücklicher und zufriedener sein, wenn Emily ihre neue Rolle im Leben erst einmal akzeptiert hatte.
Simon beschloß, den erbarmungswürdigen Lauten vom Stuhl her ein Ende zu setzen. Gerade machte er den Mund auf, um Emily zu befehlen, sie solle ins Bett kommen, da wurde er jedoch überraschend unterbrochen.
»Simon?« Emilys Stimme war leise und zaghaft, ein schwacher Laut in der Dunkelheit. »Schläfst du?«
»Nein.«
»Ich habe mich nur gerade etwas gefragt.«
Simon lächelte zufrieden in sich hinein. Es war natürlich noch besser, wenn sie heute nacht den ersten Schritt tat. Würde sie ihn rundheraus fragen, ob sie sich zu ihm ins Bett legen durfte, oder würde sie die subtilere Taktik ausprobieren, ihm zu sagen, ihr sei kalt und sie bräuchte eine richtige Zudecke? fragte er sich. So oder so würde er es ihr leichtmachen.
»Was fragst du dich denn, Emily?«
»Hast du es wirklich fertiggebracht, daß Lucinda Canonbury in Ohnmacht gefallen ist, als du einen Ballsaal betreten hast?«
»Wovon, zum Teufel, redest du?« Simon sah die Gestalt auf dem Stuhl finster an.
»Celeste sagt, das sei in London passiert. Sie sagt, all die jungen
Damen auf dem Heiratsmarkt, darunter auch Lucinda Canonbury, hätten ziemlich große Angst vor dir gehabt und die Möglichkeit gefürchtet, du würdest um ihre Hand anhalten.«
»Mir ist nie aufgefallen, daß eines dieser albernen Mädchen in Ohnmacht gefallen ist, wenn ich einen Ballsaal betreten habe«, murrte Simon. Man hatte ihm natürlich mitgeteilt, daß die kleine Canonbury das Bewußtsein verloren hatte, aber als es passiert war, hatte er nichts davon bemerkt. Es war reichlich voll im Ballsaal gewesen.
Emily kicherte im Dunkeln. »Ich habe Celeste gesagt, das sei alles ein Haufen blödes Zeug. Ich bin ziemlich sicher, daß all die jungen Damen auf dem Heiratsmarkt total fasziniert von dir waren, und wahrscheinlich hast du sie furchtbar damit brüskiert, daß du sie noch nicht einmal bemerkt hast.«
Simon ging auf, daß Emily anscheinend immer noch nicht wirklich ahnte, welchen Ruf er in der Stadt genoß. Wie üblich hatte sie die Situation romantisch verklärt.
»Du hast ganz recht«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Das ist alles ein Haufen Unsinn.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er spielte einen Moment lang damit und traf dann seine Entscheidung. »Emily, würdest du gern nach London fahren?«
»Oh, ja. Sehr gern. Aber glaubst du, das sollte ich tun? Papa sagt immer, ich darf nicht zu häufig in die Stadt fahren, damit nicht jemand den Skandal in meiner Vergangenheit wieder aufwärmt. Es wäre mir nicht lieb, dich in Verlegenheit zu bringen, Simon.«
»Es gibt keinen Skandal mehr in deiner Vergangenheit, Emily.«
»Ach, nein?« Sie schien verwirrt zu sein.
»Nein. Ich habe die wenigen Menschen, darunter auch Lord und Lady Gillingham und Prendergast, die etwas über dein kleines Abenteuer vor fünf Jahren wissen, darüber informiert, daß dieser Vorfall nie wieder erwähnt zu werden hat. Das gilt auch für dich. Was dich
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