Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
gekommen waren.
»Wenn man überhaupt einen Fortschritt erkennen kann«, bemerkte Lady Diana düster. »Die Straßen sind beinahe unpassierbar, und das einzige Mal, als wir im Haus waren, nachdem das Wetter so schlecht geworden ist, hat der Vorarbeiter angedeutet, er wolle alle nach Hause schicken, bis es besser sei.« Sie seufzte. »Er sagte, die Farbe und der Stuck trockneten
nicht und dass die Tapeten an den Wänden verrutschten, weil die Luft so feucht ist.« Sie seufzte noch einmal. »Und dass die Kamine in manchen der frisch renovierten Zimmer rauchten - etwas, das repariert werden muss, wenn das Wetter umschlägt.« Sie stellte ihre Tasse ab. »Manchmal frage ich mich schon, ob mein Haus je bewohnbar sein wird. Es scheint, als habe es eine Verzögerung nach der anderen gegeben.«
Lady Dianas Klage war nicht aus der Luft gegriffen, überlegte Julian mit gerunzelter Stirn. Außer dem Wetter, auf das niemand einen Einfluss hatte, hatte es mehrere ärgerliche Pannen gegeben. Er hatte den Kümmernissen seiner Stiefmutter nicht wirklich viel Aufmerksamkeit geschenkt, und soweit er sich erinnerte, waren es meist Kleinigkeiten gewesen. Einmal hatten Stoffe gefehlt, wenn er sich nicht irrte, und ein Teppich? Ein ernstes Wort mit dem Baumeister wäre sicher nicht falsch, entschied er, als sie vom Tisch aufstanden.
Sie verließen gemeinsam den Frühstückssalon und gingen zur Vorderseite des Hauses, wo auf Elizabeth und Lady Diana ein kleiner Wagen wartete, vor den ein stämmiges Pony gespannt war. Gleich darauf waren sie fröhlich auf dem Weg zum Dower House. Nachdem sie Lady Dianas Angebot, sie zu begleiten, abgelehnt hatte, winkte Nell ihnen hinterher.
Nicht weniger begierig darauf als die beiden Frauen, endlich der Enge des Hauses zu entkommen, standen Julian und Marcus neben Nell, während ihre Pferde aus den Stallungen gebracht wurden. Sie hatten vor, Squire Chadbourne zu besuchen, und hofften, dass sie ihn dazu bewegen könnten, ihnen die Kerker unter Chadbourne House zu zeigen.
Als er sich umdrehte, um sich von seiner Frau zu verabschieden, runzelte Julian die Stirn. »Es gefällt mir nicht, dich hier allein zu lassen.«
»Ich bin doch nicht allein«, entgegnete Nell. »Wie könnte ich auch, wo das Haus doch voller Dienstboten ist? Außerdem wärest du nicht begeistert, wenn ich mitkommen wollte.«
Der schuldbewusste Ausdruck, der über seine Züge flog, ließ sie lächeln, aber Marcus’ entsetzte Miene brachte sie zum Lachen. »Geht schon«, sagte sie ihnen beiden. »Macht euch meinetwegen keine Sorgen! Ich finde schon etwas, um mir die Langeweile zu vertreiben. Eigentlich freue ich mich sogar auf einen angenehmen Tag, ganz für mich allein.«
Und das war nicht gelogen. Trotz des aufgeweichten Bodens wollte sie durch die Gärten spazieren und vielleicht auch zu den Ställen. Nach zwei Wochen im Haus eingesperrt verspürte sie den heftigen Wunsch, sich zu bewegen und den Sonnenschein zu genießen.
Sich selbst überlassen, tat Nell genau das. In ein pelzbesetztes Mantelkleid gehüllt, um die Kälte abzuhalten, und ein reizendes Hütchen auf dem Kopf, schlenderte sie über die angelegten Wege, wobei sie zu schlammig aussehende Stellen mied. Es war herrlich, im Freien zu sein, dachte sie und hob ihr Gesicht der Sonne entgegen, atmete tief die reine Landluft ein. Sie streichelte ihren Bauch, freute sich über die inzwischen deutlich zu sehene Wölbung, wo ihr Kind wuchs. Von den Schrecken des Schattenmannes und dem Gespenst von Julians erster Frau einmal abgesehen, war Nell glücklich. Sie vermisste ihre Familie, besonders ihren Vater, aber Wyndham Manor und seine Bewohner, die hiesigen Gewohnheiten, das alles begann sich mehr und mehr wie zu Hause anzufühlen. Sie liebte ihren Ehemann; er war ein guter, großzügiger Mann, und allein sein Anblick reichte schon, dass ihr ganz heiß wurde und das Herz hüpfte. Und dann war da ja auch noch die Geburt ihres Kindes, auf die sie sich freute.
Sie hatte, fiel ihr auf, vieles, wofür sie dankbar sein musste. Wenn sie sich den Gesichtsausdruck von Lord Tynedale vorstellte, wenn sie ihm für ihre Entführung danken würde, musste sie fast laut auflachen. Ohne seine Einmischung hätte ich Julian nie kennen gelernt, ihn nie geheiratet und hätte mich auch nie in ihn verliebt. Aber dann musste sie wieder an das Bild von Catherine denken und den frischen Strauß Rosen oder Lilien, der jeden Morgen dort lag, und ihre Stimmung sank.
Du könntest aufhören, dich
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