Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
selbst wenn er es nicht verstand und die Neugier
ihn schier auffraß. Er unterdrücke seine Gewissensbisse, dass er ihn nicht einfach in alles einweihte, und hielt sich an das Gerüst der Geschichte, die er bisher erzählt hatte. Dennoch brauchte er mehrere Minuten, bis sein Freund begriffen hatte, dass es wirklich kein Fehler war: Die Zeitung hatte alles richtig gemacht. Julian würde Eleanor Anslowe heiraten. Am Mittwoch nächster Woche. Talcott war selbstverständlich zur Hochzeit eingeladen.
»Aber du kennst sie doch gar nicht! Wenigstens«, fügte Talcott nach einem Augenblick des Zögerns hinzu, »glaube ich das. Und Heirat! Du hast mir oft genug geschworen, dass die Ehe eine Falle sei, in die du nie wieder geraten wolltest.«
Seine langen Beine an den Knöcheln übereinander gelegt, lehnte Julian lässig in einem grün bezogenen Polstersessel, die langen Finger unter dem Kinn verschränkt. Sein Blick ruhte auf dem kleinen Feuer, das im grauen Marmorkamin vor ihnen knisterte, und einen Moment lang dachte Talcott, er habe ihn gar nicht gehört. Aber dann sagte Julian eine Sekunde später leise: »Ich weiß. Und ich will zugeben, dass eine neuerliche Ehe etwas war, das ich nicht einzugehen vorhatte - selbst wenn das bedeutete, dass mein verflixter Cousin Charles den Titel erben würde und alles, was damit einhergeht - und was er im Handumdrehen einfach verspielen würde.«
Talcott grinste. »Nun gut. Ich freue mich, dass wenigstens deine Meinung von ihm sich nicht geändert hat. So wie du jetzt auf einmal von dieser Ehe redest, würde ich als Nächstes erwarten, dass du sein Loblied singst.«
»Wohl kaum. Aber wenn du darüber ein wenig nachdenkst, dann könnte diese Ehe wirklich genau das Richtige sein. Ich brauche einen Erben und jemanden, der als Gastgeberin fungiert - meine Besitzungen brauchen die Hand einer
Frau, und ich habe keine Lust, mich um die Führung meiner diversen Haushalte zu kümmern. Diana erledigt das bislang recht gut, aber sie ist noch jung und schön obendrein. Sie könnte sich wieder verheiraten - das ist im Übrigen sogar mein erklärter Wunsch. Aber wo bliebe ich dann? Eine eigene Frau zu haben würde das Problem lösen, ehe es aufkommt.«
Als Talcott ihn unterbrechen wollte, hob er eine Hand und erklärte: »Ich weiß, was du als Nächstes sagen willst: Wenn ich schon zur Heirat entschlossen bin, warum suche ich mir dann keine unter den frisch auf den Heiratsmarkt gekommenen passenden jungen Damen? Warum eine Frau wählen, die ihre erste Blüte hinter sich hat?« Er rieb sich das Kinn. »Ganz ehrlich, der Gedanke, mich an eines von diesen oberflächlichen, geistlos plappernden jungen Dingern zu binden, die zurzeit in Almack’s herumparadiert werden, weckt in mir den Wunsch, in ein Kloster einzutreten.« Julian schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe die Sache von allen Seiten gründlichst betrachtet, und Miss Anslowe ist die perfekte Kandidatin für mich - vielleicht sogar die einzige. Überleg doch nur, Adrian! Sie ist jung genug, mir einen ganzen Stall voll Kinder zu schenken, und doch alt genug, um zu wissen, wie es in der Welt zugeht. Sie wird mich nicht in den Wahnsinn treiben, indem sie verlangt, dass ich meine ganze Zeit mit ihr verbringe - oder versucht, mir die Blagen eines anderen anzuhängen. Ihre Familie hat einen guten Namen und Ansehen ohnegleichen - und vergiss nicht, sie ist eine Erbin. Je mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich, dass sie zu heiraten genau das Richtige für mich ist.«
»Meine Ohren müssen mich trügen - das kann doch nicht derselbe Mann sein, der jahrelang behauptet hat, Ehe sei das schlimmste Schicksal, das einen Mann befallen könnte.«
Julian grinste. »Es gibt auch Entschädigungen, weißt du - wenn sie mir einen Erben schenkt, wird Charles’ Nachfolge ausgeschlossen sein, und vergiss nicht, meine Ehefrau muss mit Diana fertig werden und all ihren Spinnereien und Launen. Wenigstens damit werde ich mich nicht mehr befassen müssen.«
»Ein armseliger Grund, dir eine Ehefrau aufzuhalsen, die seit Jahren zu den alten Jungfern gezählt wird.« Talcott wirkte ernst. »Und vergiss nicht, da sind auch noch die Gerüchte.«
Julian blickte ihn von der Seite an. »Welche Gerüchte?«, fragte er in einem Ton, der Talcott ein wenig beunruhigte.
»Uh, nun, du weißt doch, dass sie vor ein paar Jahren mit Bethune verlobt war?« Als Julian nickte, fuhr er fort: »Es ist allgemein bekannt, dass sie einen Unfall hatte, der sie zum
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