Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
gerne die Countess Wyndham - es wird sie nicht glücklich machen, den Titel einer verwitweten Countess anzunehmen, nicht in ihrem Alter.«
»Ja, genau. Das erklärt also deine Geheimniskrämerei - du wolltest, dass sich Lady Diana allmählich mit dem Gedanken anfreunden kann.«
Julian nickte. »Aber weshalb«, fragte er, und dabei war das Funkeln in seinen Augen deutlicher zu sehen, »habe ich mich dann entschlossen, sie mit meinen … äh, wachsenden Gefühlen, so hast du es, glaube ich, ausgedrückt, auf einmal so zu überfallen?«
Sich bestens unterhaltend, lächelte Talcott nun. »Himmel, mein lieber Freund, nach dem unheilvollen Kutschenunfall, der dich und die bezaubernde Miss Anslowe auf so engem Raum zusammenbrachte, konntest du deine Gefühle nicht länger unter Kontrolle halten. Du musstest sprechen - und zum Teufel mit den Folgen!«
Julian lachte laut. »Natürlich! Es wird all den alten Klatschtanten gefallen, mich von der Liebe besiegt zu glauben. Sie werden Miss Anslowe als Werkzeug für die Rache der Götter sehen, indem sie mich in die Knie gezwungen hat.«
»Und, stimmt das?«, erkundigte sich Talcott listig.
Julian dachte an Nell und die Empfindungen, die sie in seiner Brust weckte, schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht sagen - ich kenne die Antwort selbst nicht.«
Wie überaus interessant, dachte Talcott bei sich. Konnte es sein, dass Julians Herz erobert worden war?
Seine glänzenden Stiefel betrachtend, fragte Talcott: »Und weshalb die Eile bei der Hochzeit? Ich meine, abgesehen von deinen unbezwingbaren Gefühlen für die Dame? Wa-
rum nicht warten und sie im kommenden Frühjahr heiraten? Warum so überstürzt?«
Julian dachte an die Pläne, die gestern so hastig auf der Rückfahrt nach London mit den Anslowes in der Kutsche geschmiedet worden waren. Dass Lord und Lady Humphries sie in der Hütte angetroffen hatten, war unselig, und es war ihnen nur logisch erschienen, ein schnelles Ende zu arrangieren. Julian hatte gewusst, dass seine Verlobung mit irgendeiner jungen Frau eine Flut von Mutmaßungen und Annahmen auslösen würde - und nicht immer freundliche. Mit Eleanor Anslowe als seiner Braut würden die alten Geschichten über sie und Bethune wieder aufgewärmt werden und dem Klatsch um die plötzliche Hochzeit neue Nahrung liefern. Einfach gesagt: Je länger die Verlobung dauerte, desto länger befänden er und Miss Anslowe sich im Zentrum einer Feuersbrunst des Klatsches. Und, natürlich war da auch noch Tynedales Beteiligung an der ganzen Sache. Einen Moment lang wurde Julians Mund schmal. Die Anslowes wussten nicht um seine Verbindung zu Lord Tynedale, und er hatte auch nicht vor, sie einzuweihen. Aber Miss Anslowes Entführung durch Tynedale war ein weiterer Grund für eine überstürzte Hochzeit - wenn die Dame erst einmal sicher mit ihm selbst verheiratet war, würde noch nicht einmal Tynedale es wagen, Gerüchte über eine fehlgeschlagene Entführung in Umlauf zu bringen.
Julian seufzte. Es war ihm klug erschienen, alles so rasch wie möglich hinter sich zu bringen - je eher sie heirateten, desto eher wäre das Neun-Tage-Wunder um ihre unerwartete Verlobung vorüber. Und es gab auch einen praktischen Grund. In einer Woche oder zwei würden bis auf wenige Nachzügler die allermeisten Mitglieder der guten Gesellschaft London bis zum Frühjahr verlassen. Wenn er am kom-
menden Mittwoch heiratete, wäre eine stattliche Anzahl Gäste zu erwarten, seine Verheiratung zu feiern - und die Neuigkeit zu verbreiten. Wenn dann die nächste Saison begann, wäre seine Hochzeit mit Miss Anslowe längst vergangener Klatsch und rasch vergessen.
Mit einem trockenen Lächeln sagte Julian: »An der plötzlichen Hochzeit ist nichts argwohnerregend - ich möchte meiner zukünftigen Gattin so viel Klatsch wie möglich ersparen. Es ist wesentlich besser, dass wir den Unsinn auf einmal hinter uns bringen, als es über den Winter hinaus bis in den kommenden Frühling in die Länge zu ziehen.«
Talcott konnte nicht mehr aus ihm herausbekommen und musste sich mit dem Erreichten zufrieden geben. Kurz darauf verabschiedete er sich und versprach, sich unverzüglich zu Boodle’s zu begeben und damit zu beginnen, Julians Schicksal öffentlich zu beklagen. Julian plante, seiner Verlobten einen Besuch abzustatten.
Nachdem der Butler Chatham ihn in Sir Edwards elegantes Stadthaus vorgelassen hatte, wurde Julian ins Arbeitszimmer des Hausherrn geführt, wo er seinen zukünftigen Schwiegervater
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