Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
Krüppel machte … Aber der Grund, weshalb Bethune die Verlobung lösen konnte, ohne als Schuft dazustehen, ist das Gerede, dass sie danach nicht mehr, ähm, ganz richtig im Kopf war.«
Julian sah Nell im Geiste vor sich, wie er sie zuerst gesehen hatte, schmutzig und unordentlich. Sie hatte - das musste er zugeben - keinen beruhigenden Anblick geboten, aber was ihm am deutlichsten im Gedächtnis geblieben war, war die Intelligenz in ihren argwöhnischen, meergrünen Augen. Er lächelte vor sich hin, fand, dass sie niedlich ausgesehen hatte. Aber eine Sache war von Beginn an klar gewesen: Sie war keine Irre. Noch nicht einmal, dachte er, halb verrückt.
»Dir ist schon bewusst«, erkundigte sich Julian leise, »dass du von der Frau sprichst, die ich zu heiraten beabsichtige, oder?«
Talcott schluckte; sein ordentlich gefaltetes Halstuch war ihm mit einem Mal unangenehm eng, als würgte es ihn. Er erkannte diese trügerische Sanftheit in Julians Tonfall. Frühere
Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass ein vorsichtiger Mann mit Bedacht handelte, wenn eben dieser Ton in der Stimme seines Freundes zu hören war - entweder das oder es galt, die Folgen zu tragen … die nicht angenehm waren.
Talcott räusperte sich. »Nun werde aber nicht hässlich zu mir - ich wiederhole nur, was gesagt wurde.«
»Tu’s nicht, nicht, wenn du mein Freund bleiben willst. Ich würde außerdem vorschlagen, dass du zu ihrem eigenen Wohl auch allen anderen davon abrätst.«
»Oh, natürlich. Absolut.«
Julian lächelte ihn an, dieses warme, durch und durch charmante Lächeln, das sein Gegenüber unfehlbar zu entwaffnen wusste. »Ich weiß, du wirst das. Und ich weiß, dass du mir Glück wünschst.«
»Selbstverständlich. Käme mir nie etwas anderes in den Sinn.« Talcott rutschte unbehaglich in seinem Stuhl hin und her. »Die Sache ist nur die, Julian, es kommt sehr plötzlich. Das muss zu Gerede führen.«
Julian erhob sich und nahm den Feuerhaken, stocherte in den Flammen. »Die Leute reden seit Jahren über mich - was macht da schon ein weiteres Mal?«
Talcott seufzte. »Ich weiß, aber jetzt ist es anders. Es ist nicht nur, dass du heiraten willst, sondern auch wen. Und die Überstürzung dabei muss die Klatschbasen in helle Aufregung versetzen.«
»Und warum sollte ich mir deswegen Gedanken machen?«
»Du vielleicht nicht … aber was ist mit der Dame?«
Julian hielt inne. Er konnte den Unsinn verkraften, aber mit einem besorgniserregenden Aufwallen seines Beschützerinstinkts erkannte er, dass er es keinesfalls dulden wollte, wenn die gute Gesellschaft ihre Klauen in Nell schlug. »Was
schlägst du vor? Ich werde sie heiraten, und zwar kommenden Mittwoch.«
Talcott räusperte sich wieder. »Unter Umständen … wenn wir eine Art Erklärung liefern?« Er sah Julian an, versuchte, seine Stimmung einzuschätzen. Sich behutsam vorantastend, sagte er: »Lady Humphries wird selbstverständlich eifrig damit beschäftigt sein, zu verbreiten, wie sie die Anslowes und dich in der verlassenen Zollwärterhütte angetroffen hat.« Talcott machte eine kleine Pause, vergewisserte sich, dass er Julians ungeteilte Aufmerksamkeit besaß - und dass der Earl nicht kurz davor stand, ihn zum Duell zu fordern. Julians Miene war ermutigend, daher fuhr er fort: »Wie ich Lady Humphries kenne, wird sie der Situation die schlimmstmögliche Deutung geben. Du brauchst eine … Richtigstellung der Situation, um ihre Version zu entkräften - etwas, was die noch größeren Klatschbasen zufrieden stellt - oder immerhin ablenkt.«
»Hast du etwas Bestimmtes im Sinn?«, fragte Julian mit hochgezogener Augenbraue.
Sich zurücklehnend dachte Talcott nach. Es war ganz offensichtlich so, dass Julian aus ihm unerfindlichen Gründen entschlossen war, Miss Anslowe zu heiraten. Was, überlegte er, wäre ein Grund für Julian, seine Werbung - wenn es denn eine Werbung gegeben hatte, was er selbst ernsthaft bezweifelte - geheim zu halten? Ein Lächeln glitt über seine Züge, als ihm eine Idee kam. »Ich nehme an«, sagte er, »dass es am ehesten überzeugend wäre, wenn du behauptest, deine wachsenden Gefühle für Miss Anslowe nicht bekannt werden zu lassen, entsprang deiner Sorge um Lady Wyndham. Du wolltest sie durch die Aussicht, durch eine Fremde in ihrer Stellung in deinem Hause ersetzt zu werden, nicht unnötig beunruhigen.«
Julian legte den Feuerhaken weg. Ein belustigtes Funkeln in den Augen, erwiderte er: »Ja, das klingt plausibel. Diana ist sehr
Weitere Kostenlose Bücher