Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
möchte diese Erinnerungen mit niemandem teilen.«
Er nahm das Messer, wollte gehen, ehe er etwas sagte, was er später bereuen würde. Nells Albtraum hatte er völlig vergessen, ebenso wie die Tatsache, dass sie ihn vorhin nicht mit dem Messer hereinkommen gesehen hatte.
Beim Anblick der blanken Klinge in seiner Hand stockte ihr der Atem. Mit riesigen, argwöhnischen Augen kletterte sie auf der anderen Seite aus dem Bett. Fluchtbereit starrte sie ihn über die Matratze hinweg an, Fragen und Zweifel spiegelten sich in ihren Zügen.
Sich selbst verfluchend erkannte Julian, was er getan hatte, versteckte das Messer rasch hinter der Matratze. Leise sagte er: »Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Angst machen. Ich habe das Messer vorhin mitgebracht, als ich dich schreien hörte. Ich dachte, du würdest angegriffen, und wollte dich beschützen, nicht dir etwas antun. Und was meine Weigerung angeht, meine erste Ehe zu diskutieren - verzeih mir bitte, aber ich möchte meine Seele nicht entblößen - das ist zu schmerzlich.«
Das Messer längst vergessen, das Herz wie ein Eisblock in ihrer Brust, starrte Nell ihn an. Waren seine Erinnerungen an seine frühere Frau so kostbar, dass er es nicht ertrug, von ihnen auch nur zu sprechen? Wieder wunderte sie sich, wie scheinbar leicht er sich mit der erzwungenen Ehe abgefunden hatte. Konnte das der Grund sein, dass es ihm nach all diesen
Jahren nur um einen Erben ging? Solange er heiratete und ein Kind zeugte … Sie dachte an den Liebesakt von eben, und ein Schauer durchlief sie.
Julian wusste, dass er es gründlich vermasselt hatte, aber nicht, wie schlimm. Die leidenschaftliche junge Frau, die noch vor wenigen Augenblicken in seinen Armen gelegen hatte, war verschwunden, ersetzt von einer, die ihn ansah, als hätte er sie tief enttäuscht, verraten.
»Ich denke«, sagte sie mit einer Stimme, bei der es ihm kalt wurde, »dass Sie besser wieder in Ihr Schlafzimmer zurückkehren sollten, Mylord. Sie haben erreicht, weswegen Sie gekommen sind.«
Kapitel 8
D ie Unterhaltung, als sie sich am nächsten Morgen zum Frühstück trafen, war steif. Genau genommen war die gesamte folgende Woche für die beiden höchst ungemütlich, während sie sich in der Ehe zurechtzufinden suchten.
Julian wusste, dass er den Schaden wieder gutmachen musste, den er angerichtet hatte, alles ganz unbeabsichtigt, dachte er bitter, aber es bot sich einfach keine Gelegenheit dazu. Gewiss erleichterte es ihm auch die zurückhaltende Art, mit der seine Braut ihn behandelte, nicht, das Thema anzusprechen. Dass sie ihm zudem noch aus dem Weg ging, sich lieber von einem dankbaren Dibble in den Gewohnheiten und Bräuchen auf Wyndham Manor unterrichten ließ; und dann waren da auch noch die sehr realen Forderungen an seine eigene Zeit, was auch nicht half. Er war monatelang nicht auf dem Gut gewesen, und es gab eine ganze Reihe von Angelegenheiten, die seine Aufmerksamkeit verlangten.
Wenn er wider Erwarten doch den einen oder anderen freien Augenblick fand, um mit seiner jungen Frau zusammen zu sein - außer bei den wenigen Mahlzeiten, die sie miteinander einnahmen -, schien Nell immer auf dem Sprung zu sein, und zwar dorthin, wo er sich gerade nicht aufhielt, überlegte er mit einem Anflug von Selbstironie. Er erwog, sie in ihrem Schlafzimmer zu konfrontieren, aber die Vorstellung behagte
ihm nicht. Es schien ihm, dass als Bittsteller am Bett seiner Frau aufzutauchen, ihm nicht notwendigerweise nützen würde. Die Vorstellung fand er abstoßend, denn sie erinnerte ihn an die letzten Monate seiner ersten Ehe, als er alles unternommen hatte, was in seiner Macht stand, um Catherine versöhnlicher mit ihrer Schwangerschaft zu stimmen. Zwar glaubte er nicht, dass Nell aus demselben Material gemacht war, aber da seine gesamte Erfahrung aus seiner ersten Ehe stammte, war er auf der Hut.
Das Wissen, dass er die ganze Sache besser hätte handhaben können, half ihm ebenfalls nicht weiter. Hätte und sollte. Er schüttelte den Kopf. Er war dafür bekannt, schnell und geistesgegenwärtig zu reagieren, eine rasche Antwort in den kniffeligsten Situationen zu finden, aber bei Nells Frage hatte er sich wie der unerfahrenste grüne Junge verhalten.
Seine vorherige Ehe, da war er der Erste, der das zugab, war für ihn ein überaus persönliches und schmerzvolles Thema. Nells Frage, unvermittelt und direkt nach dem wunderbarsten Liebesakt, den er je erlebt hatte, hatte ihn völlig überrumpelt. Er hätte sich
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