Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
»Ich habe deine Akte gelesen, Alex. Du hast keine Eltern mehr. Bist von einem Onkel großgezogen worden, der selbst ein Spion war. Du wurdest sogar vom berühmten Eliteregiment SAS, dem Special Air Service, ausgebildet. Deine erste Mission war in Südengland. Und ein paar Wochen später schon die zweite, dieses Mal in Frankreich. Manche Leute würden behaupten, dass du einen besonders guten Schutzengel hast, aber ich persönlich glaube nicht an Enge l – und auch nicht an den Teufel. Aber ich glaube an dich, Alex. Ich glaube, dass du ziemlich einzigartig bist.«
Verdrossen hört sich Alex die Schmeicheleien an. Er spürte, dass hinter den Worten etwas Unheimliches lauerte. »Wo bin ich eigentlich?«, fragte er. »Und was wollen Sie von mir?«
»Wo du bist, sollte eigentlich klar sein«, antwortete Sarow. »Conrad wollte dich umbringen. Ich habe ihn davon abgehalten. Aber ich kann dir nicht erlauben, ins Hotel zurückzukehren oder gar die Insel zu verlassen. Du wirst dich als mein Gefangener betrachten müssen, aber wenn Casa d’Oro schon als Gefängnis dienen muss, dann wirst du es jedenfalls als ein sehr angenehmes Gefängnis kennenlernen, hoffe ich. Zur zweiten Frage, was ich von dir wil l …« Sarow lächelte in sich hinein und seine Augen blickten unbestimmt in die Ferne. »Es ist schon spät«, verkündete er unvermittelt. »Wir können uns morgen weiter unterhalten.«
Er erhob sich.
»Ist es denn wahr, dass Sie eine Atombombe haben?«, wollte Alex wissen.
»Ja.«
Weitere Teile des Puzzles rutschten an ihre Plätze. »Sie haben dem Händler Uran abgekauft. Und dann haben Sie Conrad befohlen, ihn umzubringen!«
»Auch das ist richtig.«
Also hatte Alex Recht gehabt. Er hatte Conrad in Miami gesehen. Conrad hatte auf der Mayfair Lady Sprengsätze angebrach t – und nicht Alex’ Benzinfeuer, sondern diese Sprengsätze hatten die Jacht zerfetzt und die Besatzung getötet. Turner und Troy hatten Alex also zu Unrecht beschuldigt.
»Und die Atombombe?«, fragte Alex weiter. »Was planen Sie damit?«
»Hast du Angst?«
»Ich will es wissen.«
Der General überlegte. »Im Moment will ich dir nur einen Teil verraten«, sagte er schließlich. »Vermutlich weißt du nicht sehr viel über mein Land. Früher einmal nannte es sich Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die UdSSR. Heute heißt es Russland. Wahrscheinlich lernt ihr in den westlichen Schulen nicht viel darüber.«
»Ich weiß nur, dass der Kommunismus erledigt ist, wenn Sie das meinen«, sagte Alex. »Außerdem ist es jetzt ein bisschen spät für Geschichtsunterricht.«
Der General überhörte ihn einfach. »Mein Land war früher eine Weltmacht«, fuhr er fort. »Wer schickte den ersten Menschen in den Weltraum? Wir! Wem gelangen die größten Fortschritte in Wissenschaft und Technik? Vor wem zitterte der Rest der Welt?« Er machte eine Pause. »Du hast Recht: Ja, der Kommunismus wurde vertrieben. Und was sehen wir jetzt an seiner Stelle?« Über sein Gesicht glitt Wu t – aber er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. »Russland ist zu einem zweitklassigen Land heruntergekommen. Es gibt dort weder Recht noch Ordnung. Die Gefängnisse sind leer und Kriminelle beherrschen die Straßen. Millionen Russen sind drogenabhängig. Weitere Millionen haben Aids. Frauen und Kinder müssen als Prostituierte arbeiten, um zu überleben. Und alles nur, damit die Leute bei MacDonald’s essen und Levi’s Jeans kaufen und auf dem Roten Platz mit Handys telefonieren können!«
General Sarow ging zur Tür und blieb dort noch einmal stehen.
»Du willst wissen, was ich vorhabe?«, fragte er. »Ich werde im Geschichtsbuch zurückblättern. Ich werde die Schäden beseitigen, die in den letzten dreißig Jahren angerichtet wurden. Ich werde meinem Land seinen Stolz und seine rechtmäßige Rolle auf der Weltbühne zurückgeben. Ich bin kein böser Mensch, Alex, was immer auch die Geheimdienstleute dir eingeflüstert haben mögen: Mein einziger Wunsch ist, die Krankheit aufzuhalten und aus dieser Welt eine bessere Welt zu machen. Ich hoffe, dass du mir das glaubst. Es bedeutet mir sehr viel, dass du die Dinge genauso siehst wie ich.«
»Sie haben eine Atombombe«, sagte Alex langsam. »Ich verstehe das alles nicht. Wozu brauchen Sie die Bombe, wenn Sie eine bessere Welt schaffen wollen?«
»Das wird dir noch klar werden, wenn die Zeit gekommen ist. Morgen werden wir gemeinsam frühstücken, Alex. Dann führe ich dich durch die Plantage.«
General Sarow
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