Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
Flughafen schien überhaupt nicht in Betrieb zu sein. Hinter der trüben Glasfront des Terminals leuchteten zwar ein paar triste gelbe Lichter, aber Menschen ließen sich nicht blicken. Die Tür zur Ankunftshalle war mit einer dicken Kette verschlossen, als ob der Flughafen längst jede Hoffnung aufgegeben hätte, dass sich jemals wieder ein Passagier hierherverirren könnte.
Sie wurden erwartet. Drei Armeelastwagen und eine schmutzige Limousine standen bereit. Männer in kakifarbenen Uniformen mit schwarzen Gürteln und Stiefeln, die wie Gummistiefel aussahen und ihnen bis zu den Knien reichten, standen stramm in einer Reihe. Jeder trug ein Maschinengewehr und einen Munitionsgürtel über der Brust. Ihr Kommandeur, der dieselbe Uniform trug wie Sarow, kam auf sie zu und salutierte. Sarow schüttelte ihm die Hand, sie umarmten sich und unterhielten sich ein paar Minuten lang. Dann bellte der Kommandeur einen Befehl und zwei seiner Männer rannten zum Flugzeug und luden die silberne Kiste aus, in der sich Sarows Atombombe befand. Alex beobachtete aufmerksam, wie sie vorsichtig auf einen der Lastwagen geladen wurde.
Die übrigen Soldaten verhielten sich sehr diszipliniert. Sie standen keine fünf Schritte von einem Apparat entfernt, der genug Energie enthielt, um den halben Kontinent zu entvölkern, aber keiner wandte auch nur den Kopf, als die Kiste vorbeigetragen wurde.
Als die Bombe verladen war, machten die Soldaten zackig kehrt, marschierten im Gleichschritt auf die zwei verbliebenen Lastwagen zu und stiegen hinein. Alex, dessen Hände jetzt mit der Handschelle zusammengefesselt waren, musste auf dem Vordersitz eines der LKW neben dem Fahrer Platz nehmen. Niemand achtete auf ihn, und niemand schien sich auch nur im Geringsten dafür zu interessieren, wer er war. Sarow musste sie schon vorher per Funk darüber informiert haben, dass ein Junge dabei sein würde. Alex betrachtete aufmerksam den Lastwagenfahrer. Er wirkte hart, war glatt rasiert und hatte klare, blaue Augen. Sein Gesicht war ausdruckslos. Der perfekte Soldat: bedingungsloser Gehorsam. Aus dem Seitenfenster beobachtete Alex, wie Sarow und Conrad eben in die Limousine stiegen.
Der Konvoi setzte sich in Bewegung. Außerhalb des Flughafens gab es absolut nichts, kein Haus, kein Gebäude, nur eine flache, leere Landschaft, in der sogar die Bäume verkrüppelt und trostlos aussahen. Alex zitterte vor Kälte und versuchte, mit überkreuzten Händen wenigstens seine Oberarme und Schultern warm zu reiben. Doch die Handschellen klirrten und der Fahrer warf ihm einen wütenden Blick zu.
Sie fuhren ungefähr vierzig Minuten eine von Schlaglöchern übersäte Straße entlang, kamen dann an modernen, gesichtslosen Gebäuden vorbei und plötzlich waren sie in Murmansk. War es Nacht oder Tag? Der Himmel war noch hell, aber die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Ein paar Leute waren auf den Straßen zu sehen, aber sie schienen sich ziellos wie Schlafwandler dahintreiben zu lassen. Niemand beachtete den Konvoi, der jetzt eine vierspurige Straße entlangfuhr. Die Hauptverkehrsader im Stadtzentrum verlief absolut gerade und schien nirgendwo hinzuführen. Auf beiden Seiten standen die üblichen gesichtslosen, nichtssagenden Gebäude. Murmansk bestand aus zahllosen Reihen von fast identischen Wohnblocks, die wie aufgestellte Streichholzschachteln aussahen. Es schien weder Kinos noch Restaurants oder Läden zu gebe n – nichts, was das Leben in dieser Stadt halbwegs lebenswert hätte machen können.
Und es gab offenbar auch keine Vororte. Die Stadt hörte einfach auf und sie fuhren plötzlich durch die leere Tundra. Murmansk liegt 140 0 Kilometer vom Nordpol entfernt, aber die Welt konnte am Nordpol kaum leerer sein als hier. Alex dachte an die Reise, die er hinter sich hatte. Von Wimbledon nach Cornwall. Zurück nach London; dann Miami und Skeleton Key. Und jetzt Murmansk auf der Halbinsel Kola. Sollte das hier definitiv die Endstation seiner Reise sei n – und seines Lebens? Was für ein schrecklicher Ort, um zu sterben. Er hatte wirklich und wahrhaftig das Ende der Welt erreicht.
Es gab keine Straßenschilde r – wozu auch: Andere Autos waren nicht zu sehen. Nach einer Weile gab Alex jeden Versuch auf festzustellen, wohin sie fuhren. Nach einer weiteren halben Stunde verringerte der Konvoi das Tempo und bog dann von der Straße ab. Unter den Rädern knirschte es, als sie den Asphalt verließen und auf Schotter weiterfuhren. Hatten die Russen hier ihre
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