Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
allein im Wagen sitzen. In der hereinbrechenden Dunkelheit wurden die Schatten immer länger, da es keine Beleuchtung wie in der Großstadt gab.
»Auf der Veranda bitte, Ma’am.«
Sie folgte ihm, und zu ihrer großen Erleichterung ging das Verandalicht an. »Glauben Sie, das war Kelly?«
Morris blickte auf und schüttelte den Kopf. »Nein, bei Dunkelheit schalten sich die Lampen per Bewegungsmelder ein. Ich werfe kurz einen Blick ins Haus und bin gleich wieder bei Ihnen. Rufen Sie, wenn Sie mich brauchen.«
Fünf Minuten vergingen, in denen Mia vom Schlimmsten ausging, ehe der Deputy wieder zu ihr herauskam. Als Morris schließlich totenbleich auf die Veranda taumelte, hatte sie Gewissheit. Doch das Entsetzen in seinem Gesicht erschütterte sie noch mehr.
»Es tut mir leid«, sagte er fast tonlos. »Aber das muss ich melden.«
Mia folgte ihm wie ein Hündchen zum Streifenwagen. Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch, aber seine äußerliche Ruhe gab ihr Kraft, und so wich sie dem Hilfssheriff nicht von der Seite. Überraschend sachlich und genau schilderte er die Lage.
»Ich brauche hier sofort einen Leichenbeschauer. Es sieht ganz nach Einbruchdiebstahl mit Tötungsdelikt aus. Der Eindringling scheint von der Hausbesitzerin gestört worden zu sein.« Morris drehte sich um und registrierte Mias verwirrten Blick. »Seit dem 11. September haben wir die Verschlüsselung aufgegeben. Jeder Landkreis benutzte zuvor seinen eigenen Code, und das hat uns bei Großeinsätzen behindert. Ich fürchte, ich muss Ihnen nun ein paar Fragen stellen. Wollen wir das im Streifenwagen erledigen, wo es wärmer ist?«
»Sicher.«
Als sie beide vorne eingestiegen waren, zog er seinen Notizblock hervor. »Wie lange kannten Sie Miss Clark schon?«
»Nicht lange, ein paar Wochen erst. Wir waren in derselben Firma beschäftigt.«
»Sie haben sich während der Arbeit also angefreundet?«
»Ja. Wir wollten uns heute einen gemütlichen Abend machen.«
»Deshalb sind Sie zur verabredeten Zeit zum Haus gekommen und …« Er schaute sie auffordernd an, damit sie den Satz beendete.
»Es war so merkwürdig still im Haus. Also bin ich zur Tür, um nachzusehen, was passiert ist. Sie stand offen. Und dann habe ich auch schon den Teppich und die Lampe gesehen und sofort die Notrufzentrale angerufen.«
»Sie sind also nicht nach oben gegangen?«
»Nein, ich hatte so –« Sie stockte und kam sich ziemlich blöd vor.
»Ein schlechtes Gefühl? Es ist nicht verkehrt, seinem Gefühl zu trauen. Wie es aussieht, haben Sie recht behalten. Zum Glück sind Sie nicht früher dagewesen, sonst wären Sie dem Täter auch noch in die Arme gelaufen.«
Großer Gott, nicht auszudenken! Kyra hätte dem Kerl die Arme abgerissen und sie ihm zu fressen gegeben. Sie selbst dagegen konnte vielleicht höchstens seine Steuererklärung auseinandernehmen.
»Sie meinen also, es war ein Einbrecher?«
»Danach sieht es jedenfalls aus. Ich habe für den Augenblick keine Fragen mehr an Sie, Miss Sauter. Wenn Sie jetzt gehen möchten, lassen Sie mir bitte Ihre Kontaktdaten da, unter denen ich Sie erreichen kann, falls noch etwas ist.«
Unwillkürlich musste sie an Kellys Familie denken, die Eltern und ihre vier Brüder. Jay, Vince, Brant und Lyle. »Wer verständigt in so einem Fall die Angehörigen?«
»Im Allgemeinen ermittelt das Büro des Sheriffs, wo sie wohnen, und verständigt dann die dortige Polizei. So etwas teilt man natürlich nicht am Telefon mit.«
»Das stimmt.« Leider würden es die Brüder letztlich wohl doch von den Eltern auf diesem Wege erfahren. Mia war flau im Magen. »Also, dann werde ich jetzt nach Hause fahren. Ich danke Ihnen.«
Sie stieg aus und lief zu ihrem Auto. Sie brauchte ein paar Minuten, bis sie auch nur den Zündschlüssel ins Schloss stecken konnte. Schließlich ließ sie den Motor an und fuhr um den Streifenwagen herum auf die Straße, wobei sie dem Hilfssheriff zum Abschied kurz zuwinkte.
Um sich abzulenken, schaltete sie das Radio ein und suchte nach einem Sender. Sie wollte nicht daran denken, in welcher ausweglosen Situation sie gerade steckte. Kellys Tod war kein Zufall, so viel stand fest. Der Killer hatte es nur wie einen Einbruch aussehen lassen. Vor ein paar Tagen noch war sie bei Kelly zu Hause gewesen und hatte sich mit ihr über Micor unterhalten, da beide vermuteten, dass sie im Unternehmen nicht frei reden konnten. Aber wer hätte gedacht, dass der Konzern so weit gehen und Kelly auch zu Hause abhören würde?
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