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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Schule … jemanden umgebracht hat.“

NORDEN
    DIE GEGENWART
    Die Fahrt zum Haus von Sørens Schwester in New Hampshire dauerte rund vier Stunden. Normalerweise nutzte Søren jede Gelegenheit, seine Ducati über die Highways zu jagen, aber diesmal war es Kingsley gelungen, ihn dazu zu überreden, zu ihm in den Rolls-Royce zu steigen. Er hatte darauf hingewiesen, dass Redebedarf bestand. Sie mussten Pläne schmieden. Mit einem skeptischen Lächeln hatte Søren schließlich nachgegeben, aber Kingsley war klar, dass er ihn nicht hinters Licht führen konnte. Es gab nichts zu bereden, nichts zu planen. Sie wussten schließlich noch gar nichts. Kingsley wollte Søren einfach nur hinten in seinem Rolls-Royce für sich allein haben.
    „Was sagen wir ihr denn?“, fragte er, als sie sich Elizabeths Haus näherten. „Sie wird wissen wollen, warum wir hier sind.“
    „Die Wahrheit. Du hast eine bedrohliche Briefsendung erhalten, die in Lennox abgestempelt wurde. Ich werde ihre Augen beobachten und ihren Gesichtsausdruck. Mal sehen, was dabei herauskommt.“
    Søren saß auf der gepolsterten Sitzbank ihm gegenüber und starrte aus dem Fenster. Während der gesamten Fahrt hatte er kaum Blickkontakt gesucht. Das war sehr ungewöhnlich für ihn. Søren war jemand, der mit jedermann intensiven Blickkontakt pflegte. Es machte ihm offenbar Freude, den Leuten binnen Sekunden ihre tiefsten Geheimnisse zu entlocken: ihre Wünsche, ihre Träume, ihre Motive, wem sie vertrauten und was sie fürchteten. Früher, als sie beide Teenager waren, hatte Kingsley das für einen großartigen Taschenspielertrick gehalten. Erst viele Jahre später, als er zur Allzweckwaffe für die französische Regierung geworden war, hatte er begriffen, wo die Wurzeln dieser außerordentlichen Fähigkeit lagen. Menschen, die als Kind missbraucht worden waren, entwickelten oft schon in jungen Jahren einen geradezu unheimlichen Spürsinn für Charaktereigenschaften. Sie konnten Fremde binnen Sekunden einschätzen. Das war keine Begabung und auch kein Taschenspielertrick. Sondern eine Überlebenstechnik. Es ging bei jeder Begegnung um Leben und Tod. Aber heute hatte Søren ihn nicht angesehen. Kingsley beschloss, das als Kompliment zu verstehen.
    Der Wagen bog in die lange gewundene Auffahrt ein, die zu Elizabeths Anwesen führte. Søren starrte immer noch aus dem Fenster, aber das hinderte Kingsley nicht daran, seinerseits Søren anzustarren.
    „Es geht mir gut, Kingsley“, sagte der Priester, schaute kurz in seine Richtung und wandte sich dann wieder dem Fenster zu.
    Kingsley deutete mit dem Kopf auf das Gebäude, dem sie sich näherten. „Deine Mutter wurde da drin vergewaltigt. Von deinem Vater.“
    „Das ist mir bekannt.“ Sørens Stimme klang ruhig. „Ich existiere schließlich nur aus diesem Grund.“
    „Du bist da drin vergewaltigt worden. Von Elizabeth, mit der wir uns jetzt auf einen höflichen Plausch treffen wollen.“
    „Kingsley, ich sagte doch, dass es mir gut geht.“
    „Ich weiß, dass es dir gut geht. Ich weiß, dass du nicht einfach nur sagst, dass es dir gut geht. Und weil ich das weiß, bist du das einzige Wesen unter den Menschen und Monstern dieser Erde, das mir Angst einjagt.“
    „Das ist eine Lüge, wie du ebenfalls sehr genau weißt. Du und Eleanor seid die einzigen Menschen auf der Welt, die keine Angst vor mir haben.“
    „Rede dir das nur weiterhin ein, wenn es dir hilft, nachts besser zu schlafen.“
    Jetzt sah Søren ihm endlich direkt in die Augen.
    „Buh“, sagte er, und Kingsley musste wider Willen lachen.
    „Keine Geister, bitte.“ Er hob abwehrend die Hände. „Davon gibt es in dem Haus da schon mehr als genug.“
    „Aber ich gehöre nicht dazu.“ Søren lehnte sich wieder zurück in seinen Sitz.
    „Elizabeth schon“, gab Kingsley zu bedenken. „Sie spukt durch dieses Gemäuer wie ein Gespenst. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt … und diese Mauern verfolgen sie.“
    „Ich habe sie mehrfach gebeten, dort auszuziehen. Sie will nichts davon wissen.“ Søren zuckte auf seine elegant-beiläufige Art mit den Schultern, hob die Hand zum Hals und berührte leicht die Stelle, wo der Priesterkragen sich an die Haut seiner Kehle schmiegte. Eine unbewusste Geste, die Kingsley nur selten zu Gesicht bekam. Soweit ihm bekannt war, trugen die wenigsten Priester bei Familienbesuchen ihre Amtstracht, und auch Søren verzichtete darauf, wenn er sich mit seiner anderen Schwester Claire und seiner Nichte Laila traf.

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