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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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damit aufhören würde, ihm derartige Blicke zuzuwerfen, würde Kingsley ihn küssen – und zwar gleich hier in der Bibliothek und vor gut fünfzig St.-Ignatius-Schülern. Was durchaus für ein gewisses Aufsehen sorgen könnte.
    „Soweit ich sehe, fehlen keine weiteren Aufnahmen. Christian hat alle fünfzig durchnummeriert. Unseres war die dreiunddreißig. Dieser Karton hier enthält eins bis fünfundzwanzig. Du hast gerade Nummer sechsundzwanzig und siebenundzwanzig aus dem anderen Karton entwendet. Das heißt also, dass nur das Foto von uns beiden verschwunden ist.“
    „Woher wusste der Dieb überhaupt, dass dieses Bild existiert?“
    In der Sekunde, in der er die Frage stellte, wusste Kingsley die Antwort. Er klopfte mit dem Finger auf die Deckel der beiden Kartons und sah Søren an, der die Augen verdrehte.
    „Natürlich“, sagte er. „Es muss ein ehemaliger Schüler sein. Einer unserer Klassenkameraden. Wie hätte er sonst von den Fotos wissen sollen?“
    „Ein ehemaliger Schüler oder einer der Priester“, ergänzte Kingsley.
    „Lass uns zu Father Marczak gehen. Er soll uns die Namen aller ehemaligen Schüler geben, die gleichzeitig mit uns hier waren. Vielleicht fällt uns dann irgendetwas ein, was uns weiterhelfen kann. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, damals mit jemandem aneinandergeraten zu sein.“
    „Kein Wunder. Die anderen hatte panische Angst vor dir.“
    „Du übertreibst.“ Søren wandte sich dem Ausgang der Bibliothek zu. Kingsley folgte ihm bis in den Hof. Dann blieb er stehen und schaute nach oben in die Baumkronen.
    „Ich war gerade mal zwei Wochen hier, als Christian mir erzählte, dass du an deiner vorigen Schule jemanden umgebracht hast. Ich sagte ‚panische Angst‘, mon ami … weil jeder hier panische Angst vor dir hatte. Und das ist ganz bestimmt keine Übertreibung.“
    „Ich weiß nicht, wie das, was damals in England passiert ist … wie es überhaupt durchsickern konnte. Ich habe die Geschichte nur einem der Priester erzählt, als ich herkam – Father Pierre. Er war bis zu seinem Tod mein Beichtvater, und er starb ein paar Monate bevor du hier ankamst.“
    „Hat er es womöglich weitergetragen?“
    „Auf keinen Fall. Das Beichtgeheimnis ist heilig. Was man einem Priester anvertraut ist sicher.“
    „Vielleicht hat dein Vater ja mit einem der Priester darüber gesprochen, und ein Schüler hat es mitgekriegt.“
    „Sehr wahrscheinlich. Er hat überaus gern damit geprahlt, dass sein Sohn einen Jungen getötet hat. Komm, lass uns zu Father Marczak gehen.“
    „Non.“ Kingsley starrte immer noch in die Bäume. „Geh du mal deine Geister jagen. Ich suche nach unseren.“
    Er schritt zielsicher auf den Waldrand zu und demonstrierte damit nach außen deutlich mehr Selbstvertrauen, als er tatsächlich fühlte. Als er den ersten Fuß auf den Waldboden setzte, zerbrach ein Zweig unter seinem Gewicht. Das Geräusch warf ihn dreißig Jahre zurück, und die Erinnerungen an jenen schicksalhaften Abend, als er in genau dieses Dickicht flüchtete, wurden wieder geradezu übermächtig.
    Ja, Christian hatte ihm erzählt, dass Søren in England einen Mitschüler umgebracht hatte. Aber das beunruhigte ihn damals nicht weiter, im Gegenteil, er wurde nur noch neugieriger auf seinen blonden Bettnachbarn … und begehrte ihn noch mehr. An diesem Abend, als er immer tiefer in den Wald hineingelaufen war, Søren dicht auf seinen Fersen, da hatte er jedoch echte Panik empfunden. Aber so schnell er auch gerannt war, in der Tiefe seines Herzens hatte er sich gewünscht, gefasst zu werden. Er war nur gerannt, damit Søren ihn verfolgte, damit er ihn überwältigte. Sonst wäre er deutlich schneller gewesen.
    Hinter ihm raschelte Laub. Kingsley schaute sich nicht um, aber er wusste, dass der Priester ihm jetzt folgte, so wie damals.
    „Warum bist du mir nachgerannt?“, fragte er, immer noch ohne sich umzudrehen.
    „Weil du vor mir weggelaufen bist.“
    „Weißt du, warum ich vor dir weggelaufen bin?“
    „Weil du wolltest, dass ich dich einhole.“
    Kingsley lachte und leugnete es nicht.
    „Hattest du gewusst, dass du mich vergewaltigen würdest, wenn du mich einholst?“
    „Wollen wir das wirklich Vergewaltigung nennen?“ Sørens Stimme klang amüsiert.
    „Wie sollen wir es denn sonst nennen?“
    „Es ist keine Vergewaltigung, wenn der andere es will.“
    „Aber du wusstest damals nicht, dass ich es will.“ Kingsley schob sich durch die Äste, die an jenem Abend

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