Sklavin des Wolfes (German Edition)
Hand, versuchte ihn erneut flach aufzuschlagen, was schier unmöglich war. Die Fasern hätten parallel zum Bund ausgerichtet sein müssen, doch das war nicht der Fall. Würde man den Prospekt gewaltsam umbiegen und aufschlagen, würde das Papier im Bund auseinander brechen.
Tiete reichte ihr Bestellung, Lieferschein, Rechnung und eine der Etiketten, die zur Kennzeichnung auf der Verpackung der Papierlieferung geklebt hatten. Ein wenig ratlos verglich Mia die Bestellnummern und die Papierbezeichnungen. Irgendetwas war gründlich durcheinander geraten. Die Bezeichnung, aus der auch die produktionstechnisch bedingte Faserlaufrichtung hervorging, war zwar immer dieselbe. Aber in der Bestellnummer war ein Zahlendreher, der zur falschen Lieferung geführt haben musste.
»Die Lieferung war tatsächlich falsch und es sieht aus, als ob mir da bei der Auftragsausfertigung ein Schreibfehler passiert ist. Ich verstehe zwar nicht, warum die Software keinen Abgleich gemacht hat – aber der Drucker, der das Papier in die Maschine eingelegt hat, hätte doch sehen müssen, dass das Papier das Falsche ist.«
Tiete verdrehte ein wenig die Augen. »Ja, ja. Jetzt geben Sie einfach meinen Leuten die Schuld. Die wissen genau, dass wir immer dieselbe Laufrichtung bestellen. Wieso sollten die auf dem Etikett nachschauen, ob sich das plötzlich geändert hat?«
Mia biss sich auf die Unterlippe. Ihr wurde auf einmal ganz heiß. Er hatte verdammt noch mal Recht. Es war ihr zwar immer noch nicht klar, wie das hatte passieren können. Vielleicht würde sie es später herausfinden, wenn sie in aller Ruhe die Belege und die Daten auf ihrem Laptop überprüfte.
»Herr Tiete, ich kann nur noch einmal wiederholen, wie leid mir das tut …«
»Sie wissen genau, dass die Sache damit nicht erledigt ist. Ich dachte eigentlich, ich hätte es mit einem Profi zu tun und könnte mich auf Sie verlassen!«
Wut stieg in Mia auf. Was sollte dieser vehemente Vorwurf? Unterliefen ihm denn niemals Fehler?
»Ich musste die gesamte Auflage einstampfen und neu drucken. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet?«
Mia erschrak über den Nachdruck seiner Stimme. Er hatte das übergeschlagene Bein nun neben das andere gestellt und sich ein wenig nach vorne gebeugt. Er erschien ihr wie ein Raubtier, bereit zum Sprung. Das Grimmen in ihrem Bauch nahm zu.
»Natürlich. Ich bin ja nicht blöd.« Ungewollt fiel ihre Antwort schnippisch aus. Ihre Gedanken rotierten.
Wenn sie sich ihm gegenüber nicht ständig so nonnenhaft und geschäftsmäßig verhalten hätte, wäre er im Augenblick bestimmt wohlwollender gestimmt. Sie hatte auf der ganzen Linie versagt. Wo blieb ihre Diplomatie? »Der Schaden beträgt ein paar Tausend Euro, nur dass Ihnen das klar ist.«
Mia hatte das Gefühl, ihr müsste augenblicklich schlecht werden. »Und nun?«, fragte sie zaghaft.
»Ich werde Ihren Chef anrufen und mit ihm darüber verhandeln, wie wir die Kosten eingrenzen. Ich dachte nur, es wäre fair, Ihnen vorher Bescheid zu geben, da wir bisher gut zusammengearbeitet haben.«
Seine Stimme klang sanfter und auch sein Blick war weniger abweisend als zuvor. Mia nahm ihren ganzen Mut zusammen, ihm einen Vorschlag zu unterbreiten.
»Wir könnten Ihnen doch das Papier noch mal liefern, diesmal natürlich das Richtige und dann drucken Sie den Prospekt neu. Das müsste doch möglich sein?«
»Der Liefertermin war heute Mittag. Zum Glück hatte ich noch ein ähnliches Papier vorrätig, das eigentlich für einen anderen Auftrag vorgesehen war, und konnte mich beim Kunden irgendwie herausreden, dass er die Prospekte erst morgen erhält. Die Sachen sind bereits im Druck und fast fertig.«
Mia wich Tietes Blick aus. Ratlos legte sie den Prospekt zu den anderen auf den Stapel, der wegen des welligen Papiers unordentlich wirkte. Irgendwie hatte sie geglaubt, sie hätte sich gut eingearbeitet und alles im Griff. Bislang war auch noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert.
»Nein, ich denke, ich werde Herrn Scheitl anrufen und mich beschweren. Natürlich bezahle ich das Papier nicht. Vielleicht haben Sie ja Glück und er zieht Ihnen den Schaden nicht vom Gehalt ab.«
Ein kalter Schauer lief Mia den Nacken und den Rücken hinunter. Ein Anruf bei ihrem Chef war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Sie hatte nur einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag, der bald auslief. Scheitl hatte ihr eine Verlängerung in Aussicht gestellt. Obwohl dies nicht der Traumjob war, den sie sich nach
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