Skorpione im eigenen Saft
Schlaganfallpatienten an die Brust seines marineblauen Jacketts gepresst.
Ich durfte mich zurückziehen.
Das Gegengift, ein Pulver, befand sich seit geraumer Zeit in einer winzigen Plastikkapsel unter meiner Zunge, die ich zerbiss, sobald ich dem Tisch den Rücken zugekehrt hatte.
Der Plan sah vor, dass ich die Gaststube nicht verlassen sollte, um nachträglich ja keinen Verdacht auf mich zu lenken. Dass ich blieb, war normal, manchmal tat ich es bis zum Dessert. Ich ging zu einem der Personaltische, wo ein Krug Wasser und Gläser für die Vorkoster bereitgestellt waren, und trank etwas, um das Pulver und die zerkaute Kapsel leichter hinunterzuschlucken.
Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, wollte ich Franco heimlich beobachten. Nicht jeden Tag sieht man einen Tyrannen sterben. Mein Name würde in der Geschichte einen Platz neben Marcus Iunius Brutus, Gavrilo Princip, Mateo Morral oder John Wilkes Booth bekommen, doch einen ehrenvollen. Carlos María Astigarraga Iramendi, der Mann, der Francisco Franco Bahamonde tötete, einen der schlimmsten Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Ich persönlich würde dafür Sorge tragen, dass die Welt es im rechten Augenblick erfuhr (man stelle sich vor, wie einfältig ein junger Kerl sein kann).
Doch wie Sie und jedes Kind wissen, kam es anders.
Franco stocherte mit der Gabel ein wenig in den Tintenfischen herum, aber er probierte sie nicht einmal. Er wandte sich an die Wirtin, die sich in der Gaststube aufhielt und jede Bewegung des Generalissimus aufmerksam verfolgte, und sagte zu ihr:
»Glauben Sie bloß nicht, dass es mir nicht schmecken würde, Amparo, Sie wissen ja, wie sehr ich dieses Essen schätze … Aber mir ist von der kurvenreichen Fahrt ein wenig übel, das hat mir den Appetit verdorben. Ich habe Angst, die Tintenfische könnten mir im Magen liegen … Vielleicht nehme ich lieber ein Stück frittierten Seehecht oder ein Omelette …, aber lieber etwas später.«
Mir blieb nicht einmal Zeit, zu begreifen, dass der Anschlag gescheitert war. Ich spürte plötzlich, dass ich starb; um mich herum erlosch alles, und in meinem Kopf wurde es dunkel.
Ich erinnere mich daran, dass ich meine Lektüre von Astigarragas Geständnis an dieser Stelle unterbrach.
Kaum scheint die Strecke endlich frei zu sein, gibt es den nächsten Stau, und wie es aussieht, noch dichter als die anderen, weil der Verkehr völlig zum Erliegen gekommen ist.
Ein Unfall ist die Ursache, ein Bus und ein Pkw sind zusammengestoßen. Leicht verdientes Geld für Blechschmieden und Versicherungen; die beiden Fahrzeuge stehen mitten auf der Straße und blockieren beide Fahrbahnen; die anderen müssen sich durch eine schmale Lücke vorbeizwängen.
Es ist nicht zum Aushalten … Ich sitze schon über eine Stunde in dieser muffigen Kiste und habe ununterbrochen den schrumpligen Hinterkopf mit den schwarzen Borsten – sie sehen aus wie Nägel – meines unerwünschten und nervtötenden Begleiters auf dieser Odyssee vor Augen.
Ich habe den Eindruck, dass wir das Krankenhaus nie erreichen werden und ich diesem Taxi nicht mehr entkomme.
Als wir an der Unfallstelle vorbeifahren, sehen wir, wie sich die Fahrer eher zögernd als wirkungsvoll gegenseitig ein paar runterhauen. Schwer zu sagen, ob der anwesende Polizist die beiden tolpatschigen Streithammel zu trennen versucht oder die Wetten für den Sieger bei der gaffenden Menge organisiert.
» Jawoll, das gefällt mir! Schlagt euch nur die Rübe ein! Los, gebt’s euch! … Steck ihm einen Finger in den Arsch, einen in den Mund, und stülp ihn einmal um! Mal sehen, mit ein bisschen Glück blast ihr euch gegenseitig das Licht aus! « , kräht plötzlich dieser verdammte Schwachkopf gut gelaunt.
» Das hat mit dem Beruf zu tun, ich kann nichts dafür « , erklärt er mir wenig später mit unerwarteter Würde für einen solchen Analphabeten.
Nachdem wir uns an dem Hindernis vorbeigeschlängelt haben, fahren wir weiter.
An der nächsten Ampel stehen wir ganz vorne. Ich sehe, dass unter den Passanten, die über die Straße gehen, Epifanio und Blas sind, die servilen Portiers aus La Bilbaina. Da ihnen jeder Sinn für Lächerlichkeit abgeht, sind sie gleich angezogen: marineblaues Jackett, dunkelgraue Hosen, weißes Hemd und schwarze Krawatte. Wie zwei nette Brüder in der Francozeit, wie meine Mutter Josemi und mich anzogen hatte, als wir Kinder waren. Noch immer erinnere ich mich mit Entsetzen an unsere identischen und haarsträubenden
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