SLAM (German Edition)
die er hätte stellen müssen.
Wortlos nahm er seinen Mann in den Arm und drückte ihn fest an sich. Er spürte, wie ihn diese Berührung entspannte. »Du hast ja r echt, es tut mir so leid, wenn du den Eindruck hast, ich würde mich nicht freuen. Das tue ich, wirklich. Es ist nur, ich bin im Moment so sehr eingespannt, es gibt so vieles, an das ich … «
» Ich weiß « , murmelte Soli, an seine Schult er gepresst. »Sie saugen dich aus, Karim. Ich könnte es da keine fünf Minuten aushalten, dieses Gebäude macht mir Angst. Es ist gut, dass du jetzt eine Weile zu Hause sein wirst, mit mir und dem Kleinen .«
Karim strich ihm sanft über den Kopf. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn er eine Zeit lang keine Möglichkeit mehr haben würde, sich auf die Suche nach dem zu machen, was ihm fehlte, sondern sich stattdessen auf das konzentrierte, was er hatte. Aber würde ihm das die ersehnte Ruhe wirklich bringen?
» Du wirst sehen, dann hören auch diese schlimmen Träume auf « , hörte er Soli gedämpft sagen.
Karim ließ sich auf einem Hocker nieder. » Na dann zeig mal, wa s du hast.«
Während Soli in der darauf folgenden Stunde nahezu jedes Kleidungsstück, das er besaß , anzog und vorführte, dachte Karim darüber nach, wie er so schnell wie möglich zurück zu BEY gelangen konnte. Bei einer Kombination aus Mint und Blau hob er die Hand.
» Das ist es. Sieht großartig aus. Nimm das.«
Die Freude auf Solis Gesicht belohnte seine Lüge. » Ehrlich? Meinst du nicht, dass es ein Hauch zu viel ist? Mint und Blau ist schon ziemlich gewagt, finde ich .«
» Es erinnert mich an unseren U rlaub. Weißt du noch, das Meer? Es hatte die gleiche Farbe. D eshalb sag ich, nimm das, es ist schön. Und …«, er senkte seine Stimme, »… es betont deine Augen !«
Soli drehte sich vor dem Spiegel hin und her und überprüfte den Sitz des Anzugs. » Gut, wenn du meinst « , sagte er zögerlich.
» Ich meine « , sag te Karim mit Blick auf die herum liegenden Kleidungsstücke, » dass du noch eine Menge Arbeit vor dir hast, bis alles wieder da ist, wo es hingehört. Ich habe auch noch zu tun, ich muss noch kurz ins Büro. «
» Jetzt noch? « Solis Aug en weiteten sich. »Aber wieso?«
Karim fasste ihn am Arm, zog ihn auf den Hocker und kuschelte sich an ihn. » Es tut mir leid, es war alles ziemlich hektisch heute, schließlich ist es mein letzter Tag für eine lange Zeit, nicht wahr? Ich habe an fast alles gedacht, aber vergessen, meinem Ersatzmann die Zugangsdat en zum Archivar bereitzustellen. Das muss ich heute noch erledigen, sonst kann er mich nicht vertreten. Anschließend werde ich mich voll und ganz auf unseren großen Tag konzentrieren, versprochen. «
Soli schien beruhigt. Vielleicht wurde ihm gerade bewusst, wie viel Arbeit er selber noch vor sich hatte. Angesichts der Anzugberge schlug er die Hände vor den Mund, als würde er sie zum ersten Mal wahrnehmen.
» Ich komme so schnell zurück , wie ich kann. Es wird sicher nicht lange dauern . «
Nach einem flüchtigen Kuss verließ Karim die gemeinsame Wohnung und zwang sich, auf der Straße nicht in einen Spurt zu verfallen. Er durch querte den Boulevard diesmal nicht durch » Abu Bari «. D ie Vorstellung, dass sich der Tunnel nochmals auftun würde, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Seine Schritte hallten auf dem Gehweg, die Wärme des Tages hatte sich endgültig verflüchtigt , und die Gebäude warfen keine Schatten mehr, sie tauchten die Seitenstraßen in lichtloses Anthrazit. Keine Kinderstimmen erklangen mehr aus dem Park, der nun verlassen zu seiner Rechten lag , und nur der endlose Strom der Fahrzeuge spendete dem Boulevard immerwährendes Licht.
Morgen wäre es also so weit. War es eine gute Idee gewesen, sich für das Geschenk des Lebens zu bewerben? Soli und er waren zur Samenspende gegangen und hatten alle Fragen beantwortet . Ein Kind würde bei ihnen geschützt, geliebt und gottesfürchtig aufwachsen. Aber es würde auch wieder eine Frage mehr g eben, die Frage nach dem Woher.
Woher kam der kleine Ahmet , den sie morgen empfingen? Die Legende von der Geburtshöhle, die jedem von ihnen schon von Kind auf erzählt wurde, konnte Karim nicht überzeugen. Allah schenkte den Gläubigen ihre Söhne, auf das s sie sie im rechten Glauben erzogen, aber brachte Allah sie höchstpersönlich in diese Höhle? Und warum musste er, Karim, dann überhaupt seinen Samen spenden, wenn Allah, der Allmächtige, doch seiner Hilfe
Weitere Kostenlose Bücher