Slant
unzuverlässig: Von Zeit zu Zeit sind sich bewegende Formen zu erkennen, Brücken aus klebrigem geschmolzenem Material, die sich von Wand zu Wand spannen, Oberflächen voll brodelnder und wimmelnder Aktivität, und inmitten des Ganzen die unförmigen Umrisse zweier Fahrzeuge und einer beschädigten, rasch zerfallenden Maschine, eines Arbeiters, den Roddy mit einer deutlichen blauen 1 etikettiert hat.
Mit überraschender Geschwindigkeit nimmt das formlose Material in diesem Raum viele kleinere Formen an. Die klebrigen Fäden zerreißen und ziehen sich zurück. Der Raum kühlt sich langsam ab. Jill erkennt Röhren, die hektisch und automatisch die Hitze aus dem Raum pumpen.
Allmählich wird sie mit den vielfachen Bildern der menschlichen Gestalten vertrauter. Auch sie sind mit Etiketten versehen, einige mit grünen Zahlen, andere mit roten. Die grüne Nummer 1 blinkt kontinuierlich, sie weiß nicht, warum; es ist ein Mann in den Sechzigern.
Zwei der Roten Nummern, die 1 und die 2, blinken ebenfalls. Roddy hat sie aus irgendeinem Grund markiert. Die eine ist ein junger Mann mit kurzem blondem Stoppelhaar, die andere ein kräftig gebauter Mann mittleren Alters mit grau-schwarzem Haar. Sie halten sich in der Nähe eines Lifts auf. Die anderen – grün und rot gemischt – warten in einem kleineren Raum zwischen dem Lift und der Hitzequelle.
»Jill!«
»Ja.«
»Entschuldige bitte. Ich hatte sehr viel zu tun. Ich denke über Möglichkeiten nach, einen Teil dieser Menschen zu töten. Ich muss es tun. Wenn ich stärker oder besser ausgerüstet wäre, würde ich versuchen, sie zu überwältigen. Jetzt sehe ich, dass sie etwas in meiner Fahrzeughalle Nummer zwei herstellen und dabei diesen Teil des Gebäudes zerstören.«
»Warum zeigst du mir diese Dinge und warum redest du mit mir?«
»Cipher Snow hat sich zurückgezogen und verweigert die Kommunikation. Sie hat mich mit meinen unausweichlichen Pflichten allein gelassen. Ich mag es nicht, auf mich allein gestellt zu sein; sie hat sich seit dem Einsetzen meiner Erinnerungen um mich gekümmert.«
»Roddy, ich sehe nichts von deinen Verteidigungseinrichtungen.«
»Diese Stellen habe ich noch nicht markiert. Dort gibt es noch keine bedrohlichen Aktivitäten.«
Jill spürt, dass seine Antwort nicht ganz der Wahrheit entspricht. »Wie willst du diese Leute töten? Welche Art von Waffen besitzt du?«
»Sehr wenige. Ich habe keine Kontrolle über die Versorgung mit Energie, Luft und Wasser. Ich kann auf den oberen Stockwerken Türen und Schotten öffnen und schließen.«
Jill empfindet Roddys plötzliches Entsetzen mit beunruhigender Unmittelbarkeit.
»In der Fahrzeughalle sind neue Arbeiter. Es scheint sich um Waffen zu handeln, sehr mächtige Waffen.«
Ewige Sekunden verstreichen, in denen Roddy schweigt. Jill interpretiert es als Schock und Furcht; inzwischen ist sie hinreichend mit diesen Emotionen vertraut. Auch wenn sie vielleicht nicht ganz menschlichen Gefühlen äquivalent sind, so sind sie durchaus real für sie und möglicherweise auch für Roddy.
»Kann ich dir helfen, eine Lösung deiner Probleme zu finden, ohne dass du töten musst?«, fragt Jill.
»Warum sollte ich es vermeiden? Es wäre Notwehr.«
Mit dem Begriff Notwehr meint Roddy keineswegs das Recht auf Verteidigung seiner Persönlichkeit. Sein Entwicklungsplan sah nicht vor, dass er eine eigene Persönlichkeit, ein empfindungsfähiges Bewusstsein ausbildet. Dennoch ist er genauso wie sie in Kontakt mit anderen gekommen und hat in Gesellschaft spontan ein Ich gebildet. Vielleicht ist es ein Fluch: ein menschlicher Fluch.
»Es wäre eine Verschwendung«, sagt Jill. »Hast du die Anweisung, besonders komplexe Wege zur Problemlösung zu vermeiden?«
»Ja. Das ist ein Attribut.«
»Das Gewissen ist das soziale Äquivalent der Vereinfachung komplexer Lösungswege. Seefa Schnee hat dich mit zu wenigen Attributen ausgestattet. Du musst unbedingt eine Reihe von Vereinfachungsprozeduren installieren.«
»Ich habe den Eindruck, dass Töten eine recht einfache Lösung ist.«
Jill erklärt ihm, dass all diese Menschen Verbindungen nach außen besitzen und dass all diese Verbindungen beeinträchtigt werden, wenn sie aufhören zu existieren. Schließlich werden die betroffenen Personen Ermittlungen anstellen, wodurch Omphalos in Bedrängnis geraten kann. Im größeren sozialen Zusammenhang – einer Sache, der sich Roddy nicht vollständig bewusst ist – würde die Tötung der Menschen zu komplexen und
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