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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Hathaway
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Tabletten. Ich schnappe mir meinen Rucksack und taste nach der vertrauten Form der Flasche. Der kindersichere Deckel fliegt auf, dann liegen die weißen Ovale in meiner Hand. In meinem Mund. Ich schlucke sie ohne Wasser.
    Erst als sie durch meine Kehle gleiten, normalisiert sich mein Herzschlag. Ich werde mich nicht mehr eiskalt erwischt lassen. Wenn mein Körper im Schlaf versinkt, bin ich ungeschützt. Lieber schlafe ich gar nicht, als wieder bei einem Möchtegern-Vergewaltiger zu landen. Oder bei einem Mörder.
    In dieser Nacht liege ich auf meinem Bett und schaue mir alte Folgen von
Buffy – Im Bann der Dämonen
an. Ich stelle mir vor, wie ich mit einem Pfahl bewaffnet eine schattenhafte Gestalt mit Maske jage, die ein Messer hält, das noch nass ist von Sophies Blut. Ich werfe die Gestalt zu Boden und reiße ihr die Maske vom Gesicht. Es ist Scotch. Dann hebe ich meinen Pfahl und ramme ihn tief in seine Brust. Er zerfällt zu Staub und wird von der Erde verschluckt.

14. Kapitel
    A m Morgen dusche ich ewig lange und versuche, mit meinem Vanille-Duschgel den letzten Rest von Scotch wegzuschrubben. Ich würde vermutlich den ganzen Tag unter dem warmen Wasserfall stehen bleiben, wenn meine Schwester mich nicht brüllend zur Eile antreiben würde. Ich wickle mich in ein zerfranstes braunes Handtuch und öffne die Tür.
    »Scheiße, das wird auch Zeit«, sagt sie. Ich beachte sie nicht und gehe in mein Zimmer, wo ich mir eine verblichene Jeans und ein Minnie-Maus-T-Shirt anziehe. Ich bearbeite mit einem Kamm den pinken Mopp auf meinem Kopf und stoße obszöne Flüche aus. Das Mädchen im Spiegel hat Ringe unter den Augen.
    In der Küche finde ich eine Nachricht von meinem Vater:
Frühes Meeting. Bis heute Abend.
Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen erleichtert, dass ich ihn verpasst habe. Er würde die Ringe unter meinen Augen bemerken und fragen, ob ich auch wie eine brave kleine Narkoleptikerin mein Provigil genommen habe. Vermutlich hätte ich nicht die Kraft für eine Lüge.
    Ich nehme mir ein Pop-Tart mit braunem Zucker und Zimt und stopfe es gerade in meine Tasche, als ich Samanthas Auto durchs Küchenfenster sehe. Mattie stürmt herein, nimmt sich eine bräunliche Banane und rennt wieder hinaus, wobei sie etwas von zu spät fürs Training ruft. Samantha fährt mit quietschenden Reifen davon.
    Wenn ich zu Fuß gehen will, sollte ich mich auch besser beeilen. Ich nehme meinen violetten Mantel vom Haken in der Diele und ziehe ihn an, bevor ich nach draußen laufe.
    In der Einfahrt lehnt Zane an einem weißen Grand Am. Sein blondes Haar ist total durcheinander, und er sieht aus, als hätte er nicht geschlafen.
    »Hi«, sage ich und mache mir plötzlich Gedanken über mein Aussehen. Ich wünschte, ich hätte mir die Zeit für ein bisschen Make-up genommen. Wenigstens Abdeckstift, um die dunklen Ringe zu verbergen.
    »Hey, ich dachte, du brauchst vielleicht eine Mitfahrgelegenheit. Du hast kein Auto, oder?« Sein Blick wandert durch die Einfahrt.
    »Nein.« Ich gehe zu ihm hin. »Und ja, es wäre nett, wenn du mich mitnähmst. Danke.«
    Er hält mir die Tür auf und geht dann zur Fahrerseite. Unter meinen Füßen knacken Plastikbecher und Snickers-Papiere. Als er den Zündschlüssel umdreht, dröhnt ein
Nirvana
-Song los. Er dreht den Knopf nach links, bis die Musik eine akzeptable Lautstärke erreicht hat.
    »Tut mir leid.«
    »Mir auch«, platze ich heraus und schlage mir die Hand vor den Mund.
Du Idiot.
    »Was denn?«, fragt er verblüfft.
    »Dass ich dich wegstoßen habe. Ich war nur überrascht, sonst nichts.«
    Er schaut auf seinen Schoß. »Na ja, ich hätte dich nicht küssen sollen. Wir kennen uns ja kaum.« Er setzt aus der Ausfahrt und schaut in beide Richtungen, bevor er auf die Straße biegt.
    Ich will ihm sagen, dass der Kuss kein Fehler war. Ich will ihm sagen, dass ich ihn genossen habe. Ich will sagen, dass ich ihn so sehr mag, dass es mich erschreckt. Aber ich sage nur: »Du stehst also auf
Nirvana

    »O ja. Kurt Cobain ist so was wie mein Idol.«
    »Bis auf die Selbstmordgeschichte, was?«
    Es sollte ein Scherz sein, aber dann fällt mir sein Vater ein.
    »O mein Gott. Das tut mir leid, ich wollte nicht …«
    In den fünf Minuten bis zur Schule schweigen wir beide. Kurt Cobain nimmt uns das Reden ab.
     
    Wir schaffen es dreißig Sekunden vor dem Klingeln zum Englischunterricht. Irgendwas ist anders als sonst. Dann wird es mir klar – Mrs Winger steht vor der Klasse und lächelt allen

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