Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Hathaway
Vom Netzwerk:
hielt. Die mir vorgeworfen hat, ich würde mir Geschichten ausdenken, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich weiß, dass Mattie wahrscheinlich professionelle Hilfe benötigt, aber die Vorstellung, sie zu diesem Roboter zu schicken, ist furchtbar.
    »Wie du willst«, murmele ich, doch mein Vater ist schon aufgestanden und zur Tür gegangen.
    Wenn er doch nur kapieren würde, dass er es ist, den Mattie braucht.
     
    Nach dem Abendessen habe ich eine Idee. Das ist der Durchbruch.
    Ich reiße den Kleiderschrank auf und stehe mit hämmerndem Herzen davor. Dann schiebe ich meine Kleider beiseite, bis ich das eine Teil gefunden habe, das Scotch definitiv berührt hat – das violette Kleid, das ich beim Schulball getragen habe.
    Mit zitternden Händen trage ich das Kleid zum Bett und breite es dort sorgfältig aus. Ich streiche darüber. Der Stoff funkelt. Als ich das Kleid betrachte, überkommt mich die Zuversicht, dass es diesmal funktionieren wird. Dieses Kleid wird mich in Scotchs Kopf versetzen. Ich habe es ganz falsch angefangen. Auf dem Handschuh hat er keinen einen Abdruck hinterlassen. Aber er hat starke Empfindungen gehabt, als er dieses Kleid berührte.
    Ich knie mich neben mein Bett und lege die Hände leicht auf den Stoff. Und wie erwartet löst sich das Zimmer um mich herum auf.
     
    Grabsteine. Überall.
    Scotch ist auf dem Friedhof. Die Sonne steht tief am Himmel. Es scheint auch einige Grad kälter zu sein als vorhin, aber das liegt vielleicht daran, dass Scotch nur einen Handschuh trägt. Er reibt mit seiner bloßen Hand mehrfach schnell über seine Jeans, aber das hilft nur wenig.
    Über uns ragt ein riesiger, knorriger Baum empor. Als Scotch an ihm vorbeigeht, sehe ich eine Frau im roten Mantel, die vor einem winzigen Grabstein kniet und eine Handvoll Gänseblümchen umklammert. Sie schiebt welkes Laub beiseite, und ich kann die Inschrift lesen.
    Allison Morrow
    17 . Oktober 1998 bis 19 . Oktober 1998
    Die Traurigkeit drückt mir das Herz ab. Das Baby ist nach nur zwei Tagen gestorben. Hätte es überlebt, wäre es in der gleichen Klasse wie meine Schwester.
    Die Frau am Grabe dreht sich zu Scotch um und streicht sich das weiße Haar aus dem Gesicht. Ihre Augen sind schwarz wie Kohle und von Trauer erfüllt, und ich frage mich, was der Verlust eines Kindes für einen bedeutet. Ich erinnere mich an die Passage über die Schwarzen Löcher in meinem Astronomiebuch, wie sie alles in sich einsaugen, bis kein Licht mehr bleibt. So muss man sich fühlen, wenn das eigene Kind stirbt.
    Auch Scotch scheint ihr Elend zu spüren, doch er wendet sich ab und geht weiter. Wir kommen an der drei Meter hohen Statue eines Engels vorbei, der einmal bronzen schimmerte. Die jahrelangen Witterungseinflüsse haben ihn schwarz gefärbt. Es heißt, wenn man den Engel küsse, werde man innerhalb eines Jahres sterben.
    Scotch geht weiter bis zu einem nagelneuen, zierlichen weißen Grabstein.
    Sophie Jacobs
    Er steht einfach nur da und starrt auf den Stein, der das Grab eines Mädchens markiert, das möglicherweise sein Kind in sich getragen hat. Ich wünschte, ich könnte seine Gedanken lesen. Warum ist er hergekommen? Um sich daran zu ergötzen, dass er mit einem Mord davongekommen ist? Um etwas wiedergutzumachen? Um zu trauern?
    Er streckt die bloße Hand aus und fährt mit den Fingern Sophies Namen nach. »Ich wünschte, es wäre anders gelaufen, Soph. Ganz ehrlich.« Er steckt die Hand in die Tasche. »Aber ich nehme an, Gott wollte, dass ich nach vorn blicke und dieses Footballstipendium annehme.«
    Ein furchtbarer Zorn steigt in mir auf. Der Zorn ist pure Energie, die umgesetzt werden will. Mit aller Kraft balle ich Scotchs Hand zur Faust und ramme sie in seine Weichteile. Der Schmerz ist unglaublich, aber ich weiß, dass er für ihn noch viel schlimmer ist.
    Er schreit auf, und es ist das Letzte, was ich höre, bevor es mich aus seinem Körper reißt.

21. Kapitel
    I ch werfe mich hin und her, will meinen Verstand ausschalten, will mich zwingen einzuschlafen, aber ich bin einfach nicht müde. Noch nie habe ich mich so lebendig und voller Energie gefühlt. Als ich Scotchs Muskeln gesteuert habe, fühlte es sich so an, als wäre ich in ihm, nur dass ich das eben nicht war. Es war wie bei einem Computerspiel, ich konnte mit meinem Verstand Knöpfe drücken und Befehle erteilen. Das war richtig erfrischend.
    Nie habe ich die Kontrolle gehabt, bin nur in die Köpfe anderer Leute hinein- und wieder hinausgeschlüpft, war eine

Weitere Kostenlose Bücher