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Slide - Durch die Augen eines Mörders

Slide - Durch die Augen eines Mörders

Titel: Slide - Durch die Augen eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Hathaway
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um die Schulter ihres kleinen Bruders gelegt. Auf dem nächsten ist sie in einem makellosen Cheerleader-Kostüm der City High zu sehen. Sie lächelt, wie es nur beliebte Mädchen tun können – als wollte sie sagen »Die Welt gehört mir, und das ist auch gut so.« Das ist die Amber, die ich gekannt habe.
    Die Tür am Ende des Flurs ist angelehnt. Mr Golden stößt sie behutsam auf. Einen Moment lang sehe ich nur das flackernde Licht der Votivkerzen, die überall auf dem Boden brennen. Durch die Fenster des Zimmers sieht man einen gepflegten Garten. Dann entdecke ich Ambers Mutter in ihrer Mitte, sie hat die Arme um die Knie geschlungen und wiegt sich unablässig vor und zurück.
    »Nora?« Es ist nur ein Flüstern. Verblüfft bemerke ich, wie unterschiedlich er die Eltern anspricht. Weshalb sollte er Ambers Vater
Mr Prescott
nennen und ihre Mutter
Nora
? Die Intimität, mit der Mr Golden ihren Namen ausgesprochen hat, beunruhigt mich.
    Sie hebt kurz den Kopf und senkt ihn wieder.
    »Nora, ich bin wegen dir gekommen.« Er kauert sich neben sie auf den Boden. »Ich bin hier.« Die Zärtlichkeit in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Und dann trifft es mich wie ein Schlag: Nora.
    N. P.
    Nora Prescott.
    Ambers Mutter muss ihm die Figur geschenkt haben.
    Sie scheint ihn gar nicht zu hören. Sie spricht, aber es wirkt, als würde sie ein früheres Gespräch weiterführen. Die Worte sind kaum zu verstehen, und ich rieche den Alkohol in ihrem Atem.
    »Ich kann mich noch an ihren ersten Tag auf der Highschool erinnern. Sie sagte, sie wolle nicht mehr hingehen. Sie hasste es, dass alle so taten, als wäre sie jemand anderes. Sie wusste nicht, wer sie sein sollte.«
    Das klingt gar nicht nach der Amber, die ich kannte – dem Mädchen, das genau berechnete, welcher Begleiter beim Schulball das meiste Prestige brachte, das ein Lineal an den Rock hielt, um zu sehen, wie kurz er sein durfte, ohne gegen die Kleiderordnung zu verstoßen. Die Amber, die ich kannte, war eine Schlampe.
    »Sie hatte Angst, und ich habe sie dazu gezwungen.«
    Die Frau trinkt einen Schluck aus einem Glas, das ich gar nicht bemerkt hatte, dann schleudert sie es quer durchs Zimmer. Es zerbricht an der Wand in einem Regen aus Eiswürfeln und Scherben.
    »Ich habe sie
gezwungen

    »Sie musste in die Schule gehen, Nora. Und du hast sie ganz bestimmt nicht dazu gezwungen, die Waffe deines Mannes zu stehlen und zu tun, was sie getan hat. Dazu hast du sie
nicht gezwungen

    Ambers Mutter dreht sich um und schaut Mr Golden zum ersten Mal, seit er das Zimmer betreten hat, richtig an. »Sie wusste über uns Bescheid. Es war am Tag von Sophies Beerdigung. Sie kam nach Hause und hat gesehen, wie du weggegangen bist. Und am nächsten Tag hat sie sich mit Trents Waffe erschossen. Wegen uns.«
    Mein Gott. Der Gedanke, Amber könnte Selbstmord begangen haben, ist mir gar nicht gekommen. Ich war mir sicher, dass jemand anders den Abzug betätigt hat, dass es derselbe gewesen ist, der Sophie getötet hat. Doch wenn Amber die Waffe ihres Vaters gestohlen hat, muss sie sich doch selbst erschossen haben, oder?
    »Ganz ruhig, Nora. Hat sie mich denn wirklich gehen sehen? Vielleicht hat die Traurigkeit sie einfach überwältigt. Ich meine, ihre beste Freundin hat gerade Selbstmord begangen. Sie kam von der Beerdigung zurück.« Mr Golden schaut zur Tür und schiebt Mrs Prescott die Haare aus dem Gesicht. Er klingt ruhig und zuversichtlich.
    Wenn Amber nun tatsächlich nach der Beerdigung nach Hause gekommen und dort Mr Golden begegnet ist? Hat sie ihn zur Rede gestellt? Hat sie gedroht, ihrem Vater davon zu erzählen? Und wenn Mr Golden sich mit Mr Prescotts Frau in deren Haus traf, hätte er dann auch die Waffe stehlen können?
    Mr Golden ergreift ihre Hand. Sie stößt ihn weg und murmelt wieder vor sich hin. Er seufzt und steht auf, wobei er das Notizbuch auf dem Boden liegen lässt.
    »Es tut mir leid, Nora«, sagt er und verlässt ohne ein weiteres Wort den Raum.

24. Kapitel
    A ls ich zurückkehre, liegt mein Körper unverändert auf dem Bett. Ich setze mich hin und wische mir ein bisschen Spucke vom Kinn. Wandern ist nicht gerade die vornehmste Art zu reisen, das steht mal fest.
    Mein Handy klingelt hartnäckig. Schon wieder Rollins. Meine Finger zucken, wollen antworten. Mein Blick fällt auf das T-Shirt, das er mir geschenkt hat. Es liegt auf dem Boden, wo ich es hingeworfen habe, nachdem ich ihn mit Amber gesehen habe. Ich muss es nur

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