Slide - Durch die Augen eines Mörders
Matt doch nur eine Freude machen. Ich mache mir Sorgen um sie. Nach allem, was letzte Woche passiert ist … da braucht sie doch ihre Freundinnen.«
Am liebsten würde ich sagen, was ich von einer Freundin wie Samantha halte, aber dann denke ich an Mattie, die sich wie eine Einsiedlerin in ihrem Zimmer verkriecht. Es wäre wirklich gut für sie, mal aus dem Haus zu kommen. Sich abzulenken. Vielleicht ist die Idee doch nicht so schlecht.
»Was soll ich denn machen?«
»Auf die Party kommen. Sie überreden, dass sie mitgeht. Ich hole euch ab. Ich weiß, dass du nicht Auto fährst …«
Ich spüre, dass wir uns beide an den Abend in der Turnhalle erinnern, an dem sie zugesehen hat, wie Scotch meinen hilflosen Körper in die Jungenumkleide geschleppt hat.
»Ok. Aber unter einer Bedingung.«
»Was immer du willst.« Ich könnte schwören, sie ist den Tränen nahe.
»Du darfst Scotch Becker nicht einladen.«
»Abgemacht.«
»Gut, dann hol uns um sieben ab.«
Im Zimmer meiner Schwester ist es dunkel. Die leisen Töne von
Black
von
Pearl Jam
schweben durchs Zimmer und erfüllen es mit einer so tiefen Qual, dass ich sie förmlich greifen kann. Meine Schwester liegt auf dem Boden, eingewickelt in eine rosa Decke.
»Mattie?«
»Pst, das ist die beste Stelle«, sagt sie mit geschlossenen Augen.
Eddie Vedder singt traurig von schwarzgetränkten Bildern. So oft habe ich diesen Song gehört und mir ein Leichentuch über allen Fotos unserer toten Mutter vorgestellt. Samantha hat recht. Ich muss Mattie aus diesem Loch holen.
»Ich liebe diesen Song«, sage ich, gehe auf Zehenspitzen zu ihrem Computer und drücke auf Pause. »Aber solltest du dir an deinem Geburtstag nicht etwas Fröhlicheres anhören?«
Als die Musik verstummt, setzt sich meine Schwester gereizt auf. »Hey.«
»Ja, ich weiß. Aber Samantha hat gerade angerufen. Sie will, dass wir bei ihr heute Abend Filme ansehen oder so. Kommst du mit?«
Mattie sieht mich misstrauisch an. »Seit wann ruft Samantha
dich
an?«
Ich seufze. »Wir waren immerhin mal befreundet. Außerdem macht sie sich Sorgen um dich. Na komm, das wird bestimmt lustig.« Das Wort
lustig
klingt irgendwie vergiftet. Vermutlich ist Mattie nur zu fertig, um meine schlecht kaschierte Lüge zu bemerken.
»Wie viel Uhr?«
»Sie holt uns um sieben ab. Dann hast du noch ein paar Stunden Zeit, dich auf Vordermann zu bringen«, sage ich grinsend.
Sie streckt mir die Zunge heraus. Ich bin entlassen.
25. Kapitel
I ch starre mich selbst im Spiegel an und frage mich, was ich mir da eingebrockt habe. Eine Party? Bei Samantha? Ich bin seit über einem Jahr nicht mehr dort gewesen.
Ein unangenehmes Déjà-vu überkommt mich, als ich mich frage, welchen Lipgloss ich auflegen soll. Also schmeiße ich mich aufs Bett und hole das Astronomiebuch heraus. Die
Gin Blossoms
singen für mich, während ich etwas über Sternentwicklung lese.
Es klopft, dann steckt mein Vater den Kopf herein. »Rollins ist hier. Soll ich ihn hochschicken?« Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwindet er wieder nach unten.
Panisch lasse ich mein Buch fallen. Dazu fühle ich mich nicht in der Lage. Ich brauche mehr Zeit, um herauszufinden, was los ist, was er mit den Fotos von Sophie und Amber vorhat. Andererseits ist es vielleicht der perfekte Zeitpunkt, um ihn ins Gebet zu nehmen. Ich meine, wenn er
tatsächlich
der Mörder ist, würde er es doch nicht wagen, mich in meinem eigenen Schlafzimmer zu töten, während mein Vater praktisch nebenan ist. Andererseits hat der Mörder von Sophie sie getötet, während ihre Eltern praktisch nebenan waren. Scheiße.
Noch ein Klopfen.
»Komm rein«, rufe ich und stelle die Musik leiser.
Rollins stößt die Tür auf und schiebt dabei T-Shirts und Musikzeitschriften quer über den Boden. Seine Wangen sind feuerrot, sein Haar ist zerzaust.
»Hey«, sagt er ein bisschen unsicher, »lange nicht gesehen.«
Ich erinnere mich, wie ich in der Küche auf Tauchstation gegangen bin, als er geklingelt hat. Hat er das etwa mitbekommen?
»Ich weiß. Tut mir leid. Ich hatte einfach … viel zu tun.«
Die Antwort klingt unbefriedigend. Aber was soll ich denn sonst sagen?
Ich bin in deinen Körper gewandert, als du dich mit einem Mädchen getroffen hast, das am nächsten Tag tot aufgefunden wurde? Dann habe ich zugesehen, wie du deine Mutter gebadet hast, und herausgefunden, dass du Fotos von toten Mädchen hortest?
»Mit Zane? Klar, ihr beiden hängt ja viel zusammen rum.« Seine braunen
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