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Smaragdjungfer

Smaragdjungfer

Titel: Smaragdjungfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Laue
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gewusst hatten, dass Christopher und Sigurd am Hafen patrouillierten und auf sie vorbereitet waren. Dafür gab es immer noch keine Anhaltspunkte, weshalb die Sache gegenwärtig nicht weiter verfolgt wurde.
    »Alles in Ordnung, Frau Rauwolf?«
    Christophers Geist verschwand beim Klang von Verena Georgios’ Stimme. Paula merkte erst jetzt, dass ihr eine Träne über die Wange lief. Sie wischte sie hastig weg.
    »Natürlich.« Sie rieb sich das Auge. »Nur eine Wimper im Auge.«
    Ihre Stimme klang rau und belegt. Wie die einer Frau, die weint. Sie hoffte, dass es niemandem auffiel. Am allerwenigsten Rambacher oder – noch schlimmer – Breitenbach. Sie konzentrierte sich auf die Obduktion und versuchte, alle anderen Gedanken auszublenden.
    Dr. Johansson stellte fest, dass die Muskulatur der Toten überdurchschnittlich gut entwickelt war. Das passte zu den Fitnessgeräten, die in Jasmins Wohnung standen. Auf Paulas Bitte hin untersuchte er die Hände und Finger besonders genau auf Hinweise, dass sie Geige gespielt hatte.
    »Keine signifikante Hornhautbildung an den Fingern, keine Verschleißerscheinungen an den einschlägigen Stellen, keine überdurchschnittlich entwickelten Muskeln in den entsprechenden Bereichen. Falls sie irgendwann mal Geige gespielt hat, muss das Jahre zurückliegen. Oder sie war nur Hobbymusikerin, aber auf keinen Fall Profi.«
    »Und das hat was für eine Relevanz, Frau Rauwolf?« Breitenbachs Frage klang, als hielte er ihre Frage für völlig überflüssig.
    »Es bestätigt zusätzlich das Teilergebnis unserer Ermittlungen, dass Frau Stojanovic eine falsche Identität und einen entsprechend gefälschten Lebenslauf benutzt hat. Dem zufolge war sie bis vor zwei Jahren Berufsmusikerin im WDR-Orchester.«
    »Ganz sicher nicht«, war Johansson überzeugt.
    Er begann mit den vorgeschriebenen drei Öffnungen der Leiche, Kopf, Brust-und Bauchhöhle, während eine Assistentin die Form der Einstichwunde mit einer Datenbank von Stichwaffen abglich. Als die Obduktion nach zwei Stunden beendet war, stand fest, dass die Stichverletzung eindeutig die Todesursache gewesen war und mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit von einem Messer der Marke Muela Ranger 12 stammte. Ein nicht sehr gebräuchliches Modell.
    Johansson nickte Paula, Rambacher und Breitenbach zu und zog sich die Gummihandschuhe aus, während ein Medizinstudent die Leiche zunähte. »Soweit die Tatsachen von meiner Seite. Alles Weitere liegt bei Ihnen. Den schriftlichen Bericht erhalten Sie morgen im Laufe des Tages.« Er verabschiedete die drei.
    Breitenbach hatte schon während der letzten Stunde immer häufiger auf die Uhr gesehen. Offenbar hatte er in absehbarer Zeit einen Termin. Er eilte nach einem knappen Gruß in die Runde aus dem Gebäude.
    »Ich gehe jetzt Kastor hinterherschnüffeln«, teilte Paula Rambacher mit, als auch sie das Rechtsmedizinische Institut verlassen hatten. »Sie müssen nicht mitkommen.«
    »Ich denke, Roemer hat uns grünes Licht gegeben.«
    »Hat er. Aber es kann ja sein, dass Ihnen die Sache trotzdem zu heiß ist. Jakobs und meine Ansicht über die Grenzen meiner Nachforschungen gehen nämlich nicht in jedem Punkt konform.«
    »Was Sie nicht sagen. Da es aber Vorschrift ist, dass Beamte im Außendienst zu zweit zu sein haben, muss ich Sie wohl oder übel begleiten.«
    »Ich kann mir auch jemand anderen suchen. Dann können Sie schön Dienst nach Vorschrift machen.«
    Er antwortete nicht darauf.
    Paula war froh, nach dem Aufenthalt im Obduktionssaal frische Luft und Sonnenlicht zu tanken. Weniger froh war sie darüber, dass sie für einen Moment Christopher blutüberströmt vor dem blauen Ford liegen sah. Ganz und gar nicht gefiel ihr, dass sie daraufhin einen dicken Kloß im Hals spürte und sich beherrschen musste, nicht in Tränen auszubrechen.
    Schlagartig überkam sie das Gefühl, vollkommen überfordert zu sein – mit der Situation, mit dem Fall und damit, überhaupt wieder im Dienst zu sein. Sie verspürte den Impuls, auf der Stelle Dr. Keller anzurufen und sich einen Notfalltermin geben zu lassen.
    Sie tat es nicht. Sie musste lernen, sich nicht von ihren Erinnerungen und Flashbacks beeinflussen zu lassen. Wenn sie das zuließ, konnte sie ihren Job gleich ganz aufgeben. Die seelischen Wunden würden heilen. Mit der Zeit. Bis dahin musste sie die Nebenwirkungen ertragen.
    Entschlossen stieg sie in den Wagen und fuhr los.
    Doch ihre Hände zitterten, und der Kloß im Hals blieb.

    Marco Severin

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