Smart Magic
Schritt auf ihn zu, verharrte dann aber. Sein Gesicht lag halb im Schatten.
»Nein. Ich werde nicht auf die Verliererseite wechseln. Ich war mein ganzes Leben auf der beschissenen Verliererseite. Aber hier nicht mehr. Jetzt nicht mehr.«
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab. Tom sah seiner schlanken Gestalt nach, bis sie von der Mannspforte der Festung verschluckt wurde.
Ein Sturm am Horizont
Ein Sturm am Horizont
Klopfenden Herzens wartete Matani am Ausgang des Platzes. Von hier hatte sie einen guten Blick auf die Mauer der inneren Stadt. Allerdings konnte sie wegen der Dunkelheit kaum etwas von dem Tor sehen. Sie glaubte, Bewegungen in den Schatten wahrzunehmen, und ihr Herz schlug noch schneller. Jemand löste sich aus der Finsternis, eine Gestalt. Als der Rabe aus dem Himmel herabstieß und auf deren Schulter landete, hätte Matani beinahe vor Freude aufgeschrien.
Sobald Tom sie erreichte, fiel Matani ihm um den Hals. Er umarmte sie, und lange, aber nicht lange genug, genoss sie seine Berührung. Dann trat er zurück und lächelte verlegen. Sie senkte den Blick.
»Du siehst gut aus. Haare statt Federn«, stellte Resk trocken fest.
Ich sehe auch mit Federn verdammt gut aus, erwiderte der Rabe und spreizte einen seiner Flügel. Da, schau!
»Ja, auf jeden Fall.« Matani zwinkerte Tom zu. »Ihr seht beide gut aus.«
Tom hüstelte und strich sich mit der Hand übers Haar. So standen sie da. Resks Blick wanderte zwischen ihnen hin und her, und in seiner Miene machte sich Verwirrung breit.
»Können wir gehen?«
»Nein, halt«, sagte Tom, »ich muss euch noch was sagen.« Seine Stimme war dunkel, und es war ihm offensichtlich unangenehm. »Die Magatai bereiten einen Krieg vor. Deshalb das Heerlager.«
Matani ahnte, worauf seine Worte hinausliefen. Sie spürte, wie ihr Körper kalt und gefühllos wurde, als gehöre er gar nicht zu ihr.
»Nein«, hauchte sie.
»Sie wollen das Winterlager angreifen.«
»Woher weißt du das?«, erkundigte sich Resk, und ein Schmerz, wie Matani ihn bei ihm noch nie gesehen hatte, erschien in Toms Augen.
»Jemand … Ich habe es unterwegs erfahren. Wir müssen uns beeilen. Sie werden bald marschieren. Wir müssen die Stämme warnen.«
Matani nickte. Sie ergriff Toms Hand und drückte sie stumm.
Dann folgten sie der nächsten großen Straße nach Süden und liefen bis zum Stadttor. Im Osten zeigte sich ein Silberstreif am Horizont; die Sonne würde bald aufgehen.
»Wir sollten warten«, befand Resk. »Nachts stellen die Wachen mehr Fragen.«
»Wir haben keine Zeit zu warten.« In Matanis Herz loderte die Ungeduld. Ihr Stamm war in Gefahr, nein, alle Stämme wurden von dem bedroht, was Tom eben berichtet hatte. Wenn die Magatai das Winterlager angriffen, wäre das eine Katastrophe. Die Stämme müssen sich verteilen, sich zurückziehen. Wir müssen wie der Wind sein.
»Lasst mich mal machen«, bat Tom und ging forsch auf das Tor zu. Tatsächlich standen dort zwei Soldaten, die sich zu ihnen umdrehten, als sie die Schritte hörten, und sich ihnen in den Weg stellten. Sie hatten ihre Helme abgenommen, aber momentan hätte Matani lieber in die seelenlosen Dämonenfratzen als in die Antlitze der Magatai-Krieger geschaut.
»Wohin so früh unterwegs?«, fragte der eine, und der andere ergänzte: »Oder so spät?«
»Al-ex-ander schickt uns«, log Tom mit fester Stimme, und ahmte die Sprechweise des Mädchens in der Kammer nach. Er hoffte, dass seine Stimme befehlsgewohnt klang und andeutete, dass der Sprecher keinen Ungehorsam dulden würde. »Aus dem Weg!«
Matani hielt den Atem an. Aber die beiden Soldaten schauten sich nur kurz an, dann nickte der eine unmerklich, und sie zogen sich wieder zurück. Tom schritt an ihnen vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, und Matani und Resk folgten ihm.
Als sie außer Hörweite waren, fragte sie leise: »Was war das denn?«
»Ich habe jemanden getroffen«, erwiderte Tom. »Einen Freund.«
»Einen Freund? Wen denn? Woher kennst du jemanden aus diesem Teil der Welt?«
»Einen alten Freund. Einen ehemaligen Freund.«
Sie sah ihn verwirrt an.
Er seufzte. »Er ist mit mir von der anderen Seite auf diese gewechselt. Ich wusste das nicht, und er wusste nicht, dass ich hier bin. Er ist ein Weltenwechsler, so wie ich.«
»Es gibt zwei?« Resk staunte. »Ich dachte, das wäre so selten.«
»Ist es auch. Sehr, sehr selten«, erwiderte Matani, dann wandte sie sich an Tom: »Was ist mit ihm? Wo hält er sich
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