SMS für dich
– du hältst dich raus!
Gruß, S.
Keine Minute später kommt Hilkes Antwort. Auch sie bemüht sich, ihre Augen auf dem Monitor zu lassen und keine Miene zu verziehen:
Von: Hilke Schneider
Ja, aber du musst versprechen, dass du versuchst, sie ausfindig zu machen.
Von: Sven Lehmann
Das ist Belästigung am Arbeitsplatz!
Von: Hilke Schneider
Dein dauerdeprimiertes Gesicht auch!
Von: Sven Lehmann
Mal abgesehen davon, dass ich sie gar nicht kennenlernen will, wüsste ich nicht mal, wie.
|113| Von: Hilke Schneider
Du bist Redakteur eines renommierten Nachrichtenmagazins. Du solltest wissen, wie man sauber recherchiert.
Von: Sven Lehmann
Und wo soll das deiner Meinung nach hinführen, werte Kollegin?
Von: Hilke Schneider
Ins Glück, du Nase!☺
Von: Sven Lehmann
Selber Nase. Du hast echt einen Knall!
Von: Hilke Schneider
Du auch! Kommst du mit zu dem Thailänder hinter den Magellan-Terrassen? Hab Hunger.
Von: Sven Lehmann
OK
Von: Hilke Schneider
☺
***
Gerade mal eine halbe Stunde schafft es Hilke beim Mittagessen, sich an ihren Teil des Deals zu halten. Doch dann kann sie
wohl nicht anders und unternimmt erneut einen Versuch, ungeschickt, aber charmant darauf zu drängen, |114| Sven möge nun endlich «sein Glück in die Hand nehmen».
Und nun weiß Sven nicht, ob er zaghaft zugestimmt hat, damit sie endlich aufhört, in seinem nicht vorhandenen Liebesleben
rumzustochern, oder aber, weil sie in die gleiche Kerbe haut wie David. Wenn sein Kumpel durch seine eigene Verliebtheit nicht
so unglaublich verblendet wäre, hätte er Sven ganz sicher dazu geraten, dieser Lilime höflich mitzuteilen, sie möge diese
unangenehme Belästigung endlich unterlassen. Doch David fand die ganze SM S-Geschichte irre spannend und sagte Sätze wie: «Sei doch nicht so unentspannt», «Bleib doch dran!» oder: «Was hast du denn zu verlieren?»
Wie auch immer, es ist tatsächlich an der Zeit, zu handeln. Davon ist auch Sven mittlerweile überzeugt. Schon allein, damit
er nicht noch den Verstand verliert und Gefahr läuft, sein ganzes Seelenheil von einer SMS abhängig zu machen!
Obwohl die Arbeit noch immer nicht erledigt ist und der Redaktionsschluss bedrohlich näher rückt, versucht Sven sich im Probetippen
einer Antwort auf alle Nachrichten von Lilime. Er öffnet ein neues Dokument und speichert die Datei in seinem privaten Ordner
unter dem Namen «Lilime» ab. Er schreibt:
Liebe Lilime. Es tut mir leid, was Ihnen widerfahren ist, und ich übersende Ihnen mein vollstes Mitgefühl.
O Gott, das klingt ja wie in einem schlechten Film, denkt Sven. Ohne die Zeilen zu löschen, betätigt er einfach die Enter-Taste
und beginnt mit einem neuen Absatz von vorn:
Liebe Lilime. Ich bin der Empfänger all Ihrer traurigen |115| Nachrichten. Auch wenn Ihr Schicksal mich unendlich berührt, bitte ich Sie, das Versenden von SMS an meine Nummer zu unterlassen.
Beste Grüße …
Totaler Mist!
Sven schaut aus dem Fenster. Er ist froh, dass Hilke sich bereits in den Feierabend verabschiedet hat und er somit nicht mehr
unter akuter Beobachtung steht.
Ein neuer Versuch:
Bitte unterlassen Sie das Versenden von Nachrichten an diese Nummer. Hochachtungsvoll Ihr …
… Mr. Arschloch, denkt Sven.
«Das kann doch nicht so schwierig sein», ermahnt er sich so laut, dass er sich besorgt zur offenen Tür umsieht, ob auch ja
kein Kollege in der Nähe ist.
Liebe Lilime, es tut mir leid, was Ihnen widerfahren ist. Wenn Sie mir Ihre Trauer nicht nur per Handy, sondern auch einmal
persönlich mitteilen möchten, lade ich Sie gern auf einen Kaffee ein. Herzliche Grüße eines Bewunderers
Das klingt ja wie ein perverser Mittsiebziger!
Liebe Unbekannte! Falls du wissen möchtest, bei wem all deine berührenden Worte ankommen, melde dich jederzeit gerne! Lieben
Gruß, dein Empfänger
Sven starrt aus dem Fenster. Wie soll er bloß verhindern, dass Lilime nicht zu Tode erschrickt, wenn sie eine vermeintliche
Nachricht ihres Geliebten aus dem Jenseits bekommt?
Vielleicht sollte er sie von einem anderen Handy aus versenden. Oder ahnt sie womöglich, dass ihre SMS an irgendeinen Fremden
gehen? Doch dann wird sie sicher sehr böse sein, wenn er sich erst jetzt zu Wort meldet. Bestimmt ist |116| sie davon ausgegangen, dass die Nummer nicht neu vergeben ist und die Worte alle im Nirvana landen.
Es hilft nichts. Sven muss sich endlich wieder mit voller Kraft
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