SMS für dich
erleichtert und wundert sich, dass auch sie die ganze Zeit geflüstert hat.
***
Claras Hand zittert, als sie am Abend das Restaurant von Beppo betritt. Sie hat versucht, Katja diesen Vorschlag auszureden,
aber ihre Freundin meinte, es sei an der Zeit, sich den Orten ihrer Vergangenheit zu stellen.
Vielleicht kommt dieses Unbehagen aber auch ganz einfach daher, dass sie seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr hier war.
Sie hat Angst, irgendwas zu entdecken, das sie wieder in ein tiefes Loch stürzen lässt und den positiven Auftrieb der letzten
Zeit zunichte machen könnte.
Allein der heutige Schlag, plötzlich ohne sicheres Auskommen dazustehen, macht ihr so sehr zu schaffen, dass sie fürchtet,
der neue zarte Lebensmut, den sie seit einigen Wochen spürt, könnte einer nächsten Depression weichen. Aber vielleicht schafft
es Katja, ihr etwas von ihrer Energie und ihrem Optimismus abzugeben.
Typischerweise ist ihre Freundin wieder einmal spät dran, sodass Clara die Speisekarte wiederholt rauf- und runterliest, obwohl
sie gar keinen Hunger hat.
Wie oft sie hier mit Ben gesessen und sich mit ihm einen gemischten Vorspeisenteller geteilt hat! Jedes Mal haben sie sich
um die eine Peperoni gestritten, die in der Mitte lag – und sie dann am Ende doch gerecht geteilt. Meist war Clara danach
dann schon so satt, dass Ben beide Hauptgänge allein verdrücken musste.
Vielleicht haben Lisbeth und Katja ja recht, denkt Clara, während sie immer wieder ungeduldig Richtung Eingangstür |135| blickt. Irgendwie muss sie versuchen, aus ihrer Situation das Beste zu machen. Wenn sie schon nie wieder mit Ben hier an diesem
Tisch sitzen wird, so muss sie doch versuchen, all die vertrauten Gegenstände, Begebenheiten oder Orte wie Beppos Restaurant
weiter im Herzen zu tragen. Sie sollte neue Verbindungen schaffen, die sie nicht schmerzen, sondern sich ebenso gut anfühlen.
Sie muss neue Erfahrungen machen, die positiv sind, damit ihr Kopf bald aufhören kann, das Leben ständig in ein Davor und
ein Danach einzuteilen.
Gerade als Beppo noch einmal fragt, ob er schon mal irgendwas für sie tun oder ihr sonst wie die Wartezeit verschönern könne,
kommt Katja zur Tür reingestürmt.
«Sorry, Süße. Ich saß gerade noch eine ganze Zeit im Auto und hab telefoniert.»
«Mit eine junge, hübsche Mann, hä?!», fragt Beppo amüsiert, ohne wirklich eine Antwort abzuwarten, bevor er zurück in Richtung
Küche marschiert.
Katja schaut ihm irritiert hinterher, dann ist sie endlich für Clara da.
Nach zwei Flaschen Prosecco scheinen Katjas Liebesangelegenheiten und Claras Aussichten auf einen möglichen beruflichen Neustart
schon wesentlich rosiger.
Auch Beppo zeigt sich begeistert davon, Clara unter die Arme greifen zu können. Aus einer Laune heraus bietet er an, die Wände
seines Lokals als potenzielle Absatzfläche für ihre Bilder zur Verfügung zu stellen.
«Bella!», ruft Beppo entzückt aus, als er die Teller abräumt. «Und wenne du nur Krickelkrackel machste, ich würde alles für
dich tun. Schätzchen, aber deine Bilder sind großartig. Meine Gäste werden dich lieben!»
|136| Clara kann ihm sogar ein paar Fotos von ihrer Mondserie auf dem Handy zeigen. Danach nimmt er ihr schmales und nach großer
Verunsicherung aussehendes Gesicht in beide Hände, küsst sie links und rechts auf die Wange und verkündet: «Bambini, ich freue
mich. Du biste so eine feine Mädchen. Ich glaube an dich.»
Dann bedeutet er Clara und Katja, sich noch zu ihm an den Tisch zu setzen und auf der Stelle eine frisch zubereitete Crème
brûlée zu probieren.
Als Clara wieder zu Hause ankommt, meint sie platzen zu müssen. Dennoch ist sie froh und motiviert von all dem Zuspruch von
Katja und Beppo, dass sie sich am liebsten gleich an die Arbeit machen würde.
In Gedanken fügt sie auch Ben zu der Reihe von Unterstützern hinzu und beginnt schon mal, eine lange Liste zu erstellen: Was
will ich in meinem Leben alles noch erreichen?, fragt sie sich. Was wollte ich schon immer mal ausprobieren? Welche Vorhaben
würde ich am Lebensende bereuen, wenn ich nicht wenigstens versucht hätte, sie umzusetzen?
Clara macht sich noch einen Tee und denkt nach. Seit so vielen Jahren träumt sie schon davon, einen unverkennbaren eigenen
Malstil zu entwickeln. Sie will andere Menschen mit ihrer Kunst berühren und ansprechen, sodass diese sich ihre Werke ins
Wohnzimmer hängen würden. Immer wenn sie die Leinwände
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