SMS für dich
im langen Flur nebeneinanderstellt und sie still auf sich wirken lässt,
erfüllt Clara ein ungemeines Glücksgefühl. Alles andere um sie herum ist in solchen Momenten unwichtig und weit weg. Sie ist
dann mit sich und der Welt im Reinen.
Vielleicht sollte sie ernsthaft über eine Karriere als Malerin |137| nachdenken? Plötzlich spürt Clara ganz viel positive Energie.
Meine Mondbilder sind erst der Anfang, denkt sie. Das spüre ich!
Sogar die Sorge um die finanzielle Sicherheit erscheint Clara auf einmal ganz klein. Sie kann es gar nicht erwarten, alle
ihre neuen Ideen umzusetzen. Ob sie aber von dem Verkauf ihrer Bilder würde leben können? Durch Ausstellungen und Auftragsarbeiten?
Niklas hat ihr zugesichert, dass sie freiberuflich erst mal für ihn weiterarbeiten und damit die Probleme einer möglichen
Scheinselbständigkeit umgehen könne. Sie würde nach ihrem Ausstieg auch erst mal die Agenturräume nutzen können. Niklas schien
sich bereits viele Gedanken gemacht zu haben, wie er ihr am besten helfen kann, den Schritt aus der Anstellung zu erleichtern.
Und wenn er sein Angebot tatsächlich ernst meint, könnte Clara viel Geld sparen beim Erstellen von Flyern, der Gestaltung
eines Internetauftritts und sonstigen Werbemaßnahmen.
Einen ersten offiziellen Auftrag gibt es bereits: Beppo hat schon jetzt 100 Aquarelle mit Lüneburg-Motiven geordert, mit denen er seine Kunden als Geschenk überraschen kann.
Das wiederum hat Katja auf die Idee gebracht, auch für Privatkunden bezahlbare Auftragsarbeiten anzubieten. Sie meinte, das
Geschäft mit Aktfotografien von Schwangeren und frisch Verliebten boomt. Das Ganze funktioniere also vielleicht auch mit gemalten
Bildern.
Clara denkt nach: Wenn sie es geschickt anstellt und es schafft, sich zumindest im Raum Lüneburg und Hamburg einen Namen zu
machen, könnte sie damit womöglich |138| sogar eine sehr spezielle Marktlücke schließen. Außerdem könnte sie auch übers Internet auf Kundenfang gehen. Ein Foto des
Kunden per E-Mail , und schon hat sie eine Grundlage, auf der sie ein Porträt, einen Akt oder sonstige persönliche Geschenke erstellen kann.
Des Weiteren hat ihr Katja nahegelegt, über Portale wie Xing ein Netzwerk zu gründen bzw. sich mit Gleichgesinnten intensiv
auszutauschen. Sie selbst habe schon viele Aufträge durch solche Bekanntschaften generieren können. Zudem hat sich Katja bei
der zweiten Flasche Prosecco fast überschlagen vor Begeisterung, als ihr plötzlich die Idee kam, auch ihren Kunden ein erweitertes
Portfolio anzubieten. Sie könnte das Standardprogramm ihrer Dienstleistung als Innenarchitektin erweitern, indem sie konkrete
Vorschläge macht, wie ihre Kunden durch wenige Farbakzente – etwa durch Claras individuell erstellte Kunstwerke – ihren Räumen
eine ganz persönliche und besondere Note verleihen würden. Natürlich hat Katja die Idee sofort weitergesponnen und überlegt,
was sie mit den Extraeinnahmen nicht alles Schönes anstellen könnten. Aber Clara hat sie dann doch ein wenig in ihrer Euphorie
gebremst. Schließlich kann sie nicht alles auf einmal angehen und braucht erst einmal einen durchdachten Plan für einen Start
als freiberufliche Künstlerin und Graphikerin.
Deshalb steht jetzt erst mal das Sichten sämtlichen Materials auf dem Programm. Clara ahnt, dass ihr eine gewaltige Umräumaktion
bevorsteht. Denn als sie damals mit Ben hier eingezogen ist, musste sie sämtliche Kartons und Bilder ganz hinten ans Ende
des langen, schmalen Kellerraumes räumen. Nie hätte sie gedacht, dass es irgendeinen wichtigen Grund geben würde, schneller
wieder |139| darauf zuzugreifen als auf Werkzeuge, Blumentöpfe oder Fahrradutensilien.
Und auf einmal packt sie die Neugier. Es ist zwar schon spät, aber warum nicht gleich runtergehen?
Clara greift nach ihrem Pulli und dem Kellerschlüssel und marschiert die Treppe hinab.
Doch als sie den etwas muffigen Raum betritt, spürt sie plötzlich einen Stich in der Brust. Dort steht Bens Fahrrad. Na klar,
versucht sie sich zu beruhigen, wieso hätte es sich auch auf einmal in Luft auflösen sollen? Unzählige Touren hat er damit
durch Lüneburg und das Umland unternommen. Kurz vor seinem Tod sogar besonders oft. Und erst jetzt kommt Clara in den Sinn,
dass er auch ihr Auto in den letzten Monaten vielleicht deshalb so oft hat stehen lassen, weil er noch öfter Drogen konsumierte
als zuvor.
Auch den Basketball hatte Clara längst
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