Snack Daddys Abenteuerliche Reise
ließen Herrn Nanabragov für einen Augenblick erzittern. »Das nennst du einen komischen Freund?«, sagte er. »Nun, es gibt einen Unterschied zwischen Humor und Zynismus. Findest du den russischen Dichter Lermontow komisch? Er fand sich vielleicht komisch. Aber dann hat er öffentlich einen alten Schulfreund beleidigt, der ihn zum Duell forderte und totschoss! Das war dann nicht mehr so komisch …« Er zuckte still und starrte mich an.
»Ich habe da noch einen komischen Freund«, bedrängte ich ihn weiter, »er sagt, das Figa-6-Ölfeld werde nie ans Netz gehen. Er sagt, die amerikanische Luftbrücke sei nur ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel gewesen, und nun liefen in Svanïstadt überall diese neuen Halliburton-Leute herum, ganz ohne Grund. Was läuft da, Herr Nanabragov?«
»Du weißt«, sagte Nanas Vater, »dass Alexandre Dumas das Volk der Sevo die Perle des Kaspischen Meeres genannt hat. Na, das ist ein Dichter, der unseren Respekt verdient. Ein Franzose. Viel besser als Lermontow. Er war komisch, aber kein Zyniker. Siehst du den Unterschied?«
Ich war verwirrt. Ich dachte, die
Svanï
seien die Perlen des Kaspischen Meeres gewesen. Und was hatte Herr Nanabragov gegen den armen, traurigen Lermontow, und warum pries er diesen abgehalfterten Dumas? Wer scherte sich denn überhaupt um Literatur? In meiner Generation ging es um Hiphop und Erdöl.
»Na gut«, sagte Herr Nanabragov, »vielleicht waren manche von uns im DORSCH sauer, dass die Svanï die Pipeline kontrollierten, wo traditionell doch wir das Küstenvolk waren und sie die Ziegenficker aus dem Inland. Aber wir wollen das Öl nicht stehlen wie Georgi Kanuk und sein Sohn Debil. Wir wollen mit dem Ölgeld eine Demokratie aufbauen. Das ist der Begriff, um den sich bei uns alles dreht. Demokratie. Wie nennen wir uns?
Demokratisches
Ordnungs- und Reinheits-Schutzkomitee.«
»Ich finde Demokratie auch toll«, sagte ich. »Echt gute Sache, keine Frage –«
»Und Demokratie bedeutet Israel«, sagte Bubi, der sich damit noch einen Klaps auf den Rücken von seinem Vater einfing.
»Sogar Primo Levi hat zugegeben, dass die Opferzahlen des Holocaust übertrieben waren«, sagte Wolodja.
Ich ignorierte den ehemaligen KGB -Agenten und sagte: »Vor ein paar Wochen wurde ich Zeuge eines schrecklichen Mordes, den Oberst Svyokla und seine Svanï-Truppen begingen. Einer der Ermordeten war ein guter Freund von mir geworden. Er hieß Trotl.«
Bei der Erwähnung Trotls war es auf dem ganzen Hof augenblicklich still. Die Männer klappten ihre
mobilniki
auf und wieder zu. Lautlos pfiff Bubi
»Black Magic Woman«
. Ein Fink landete auf einem Stück Hammel und begann, uns das Lied seines goldigen Lebens zu singen. »Und«, sagte Herr Nanabragov, »diesen Trotl
mochtest
du?«
»Na klar«, sagte ich. »Er war gerade aus New York zurückgekommen, aus dem Century 21, und sie haben ihn abgeknallt. Mitten vor dem Hyatt. Regelrecht hingerichtet, wie es dann immer heißt.«
Herr Nanabragov klatschte mit den Händen und zuckte dreimal, als würde er ein verschlüsseltes Signal an einen Satelliten funken, der nervös unsere Tafel umkreiste. »Wir haben Trotl auch bewundert«, rief er. »Oder nicht?«
»Ja! Klar doch!«, trällerten die Versammelten in ihre vor den Mund gehaltenen Hände.
»Siehst du, Mischa, die svanïschen Ziegenficker glauben, sie könnten uns zum Schweigen bringen, indem sie sevische Demokraten ermorden. Oh, wo sind Israel und Amerika, wenn man sie braucht?«
»Aber das waren nicht nur sevische Demokraten«, sagte ich. »Es waren Sevo
und
Svanï. Ein bisschen von jedem. Ein Demokratencocktail.«
»Weißt du, mit wem du reden solltest?«, fragte Herr Nanabragov. »Mit unserem geschätzten Parka hier. Ei, Parka! Sprich zu uns.«
Die Versammelten rückten auf ihren Stühlen vor oder zurück, bis ich einen kleinen, klug wirkenden alten Herrn in einem zerknitterten Frackhemd sehen konnte, der sich an einem Hühnerbein festhielt. Er wandte mir seine gelenkige Nase zu und zog traurig die Luft ein. »Dasist Parka Gylle«, verkündete Herr Nanabragov. »Er hat viele Jahre als Dissident in einem sowjetischen Gefängnis verbracht, genau wie dein lieber Papa. Er ist unser berühmtester Dramatiker, Autor von
Leise erhebt sich der Leopard
, einem Stück, das die Sevo nun dazu gebracht hat, sich tatsächlich zu erheben und die Fäuste in die Luft zu recken. Man könnte ihn das moralische Gewissen unserer Unabhängigkeitsbewegung nennen. Er arbeitet gerade an einem
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