Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Fresse, und sie bluteten still auf die Tagesdecke. Als Lefèvre meine massige Gestalt auf dem winzigen Sowjetbett entdeckte, Arme und Beine an den Seiten herunterbaumelnd wie Schinken von der Decke einer kastilischen Tapasbar, brach er mit jeder Faser seines eingelegten roten Gesichts in Gelächter aus. Aber ein paar Tage später brachte er sich in unserem Badezimmer um. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Inzwischen ließen sich Absurdis mit Beziehungen im Wohnzimmer nieder und drohten, auch in unsere Privatgemächer vorzudringen. Unkultiviert und reich, gekleidet wie Flamingos auf Ausgang, erinnerten sie mich an die ersten Absurdis, die mir begegnet waren, als sie sich an Bord des Austrian-Airlines-Fliegers drängelten; es schien schon eine halbe Ewigkeit her. Unter ihnen waren mehrere dunkellippige Wickelkinder, die rund um die Uhr zahnten, aber seltsam still blieben, fasziniert von den Panzerfäusten, die mit dem Geräusch perfekt darauf abgestimmten Donners Löcher in die Häuser gegenüber schossen. Dreimal am Tag machte die hässliche Haushure ihre Runden – genauso aufreizend gekleidet wie die anderen weiblichen Bewohner unserer Suite. Der Kinder wegen wurde zwischen zwei Glasvitrinen (die beide eine angelaufene Silberschale mit dem Logo der Moskauer Olympiade von 1980 enthielten) ein Handtuch gespannt, damit sich die gewogene Kundschaft so ungestört wie möglich mit der Hure niederlassen konnte. Die Geräusche der Liebe aber bleiben ein Misston; es klang, als würden ihre Verursacher aus schmatzendem Ton ein Baby formen. »So haben wir früher auch in unserer Gemeinschaftswohnung gelebt, zur Breschnjew-Zeit«, merkte Timofej nostalgisch an.
Die Hure kam und ging, aber ich verspürte keine Begierde. Auch keinen Hunger. Ich spürte überhaupt nichts. Vom ersten Tag an, als mir plötzlich der Heißwasserhahn in die Hand fiel und mir statt Wasser erschrockene Babykakerlaken auf die Arme spritzten, hatte ich mit meinem Leben abgeschlossen. Alles stieß nur anderen zu: Timofej, der Hure, dem Egowrack Larry Zartarian und seiner männlich leberfleckigen Frau Mama. »Die anderen leiden, aber leidet Vainberg?«, fragte ichMalik, die geheimnisvolle grüne Spinne, die in einer Ecke meines Schlafzimmers lebte und Frau Zartarian die Nacht über mit ihren acht samtigen Beinen terrorisierte. Der Gliederfüßler konnte dazu wenig sagen.
Was die Ernährung anging, konnte man in Svanïstadt noch immer gut essen, dem völligen Zusammenbruch zum Trotz. Ein schüchterner kleiner Muslimjunge brachte Sesamkörner und Schwarzbrotlaibe und bedrohte uns mit einem Messer, wenn wir nicht bezahlen wollten. Jeden Morgen kroch Timofej aus unserem Zimmer, wieselte durch das Kreuzfeuer und kam mit gelblichen Eiern zurück, eben von einem Schmuggelhuhn gelegt, und mit sahnigem russischem Eis am Stiel mit dem Logo der Weißen Nächte, was mich mit Heimweh nach meinem pastellfarbenen St. Leninsburg erfüllte, der Stadt, aus der ich vor nur zwei Monaten geflohen war, in der Hoffnung, nie wieder zurückzukehren.
Aber ich bekam nichts hinunter. Dann hätte ich nämlich gelegentlich die Toilette aufsuchen müssen, ein grünliches Gefäß, das sich aus dem gesprungenen Badezimmerboden erhob und dessen Sitz von expansionsfreudigen, moosartigen Bakterien besiedelt wurde, im Überlebenskampf gegen die hungrigen Kakerlaken und die 100 runden, täglich auf sie niederklatschenden absurdischen Hintern. Wie die Klobakterien hatte auch ich meine natürlichen Feinde. Meine früheren Volvo-Fahrer Tafa und Rafa hatten mich im Intourist aufgespürt und eines Blutsonntags, als all meine Mitbewohner zur Nahrungssuche ausgeschwärmt waren, weckten sie mich mit einem Hagel von Tritten in Bauch und Gesicht. »
Vy
oder
ty
?«, schrien die Teenager. »Höflichkeitsform oder Duzform? Wer ist hier das unzivilisierte Arschloch, du Sau?«
Ich grunzte, nicht so sehr vor echtem Schmerz, sondern weil ich endlich mal wieder geschlafen hatte. Mein Bauch war seit kurzem kleiner geworden, aber ein paar Tritte von ein paar dünnen braunen Füßen in billigen Plastiksandalen konnte ich noch immer locker wegstecken. »Höflichkeitsform«, sagte ich leise. »Bei Respektspersonen sollte man immer die Höflichkeitsform verwenden.«
Dass der nächste Tritt auf meinem Mund landete, hätte ich vorhersehen können; rasch füllte er sich mit einem metallischen und nahrhaftenGeschmack. »Baargh«, spuckte ich aus. »Nicht auf den Mund! Ihr Rüpel.«
Wäre Timofej nicht mit einem
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