Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
netten Mann!«, befahl sie. »Kinder sind schwierig«, sagte sie zu mir, »aber wenigstens kann man ihnen etwas beibringen. Sie ist meine Jüngste. Fünf. Ein bisschen schwer von Begriff. Aber meine beiden Söhne, die sind ein wahrer Schatz. Einer hat in derSchule die Bronzemedaille bekommen und der andere ist schlau wie ein Oligarch.«
    »Ich weiß ein Märchen«, sagte das Mädchen in seiner sirupsüßen Kleinmädchenstimme. »Von einem kleinen Fischlein, das im Meer gefangen wird, und dann reißt ihm der Fischer die Augen aus, damit es nicht wieder zurückschwimmen kann, und dann schneidet er ihm den Bauch auf, um den Kaviar herauszuholen –«
    Die Mutter beugte sich vor und verpasste dem Mädchen einen Schlag in den zarten Nacken. »Das ist keine schöne Geschichte«, sagte die Mutter. Das Mädchen weinte nicht. Es fasste sich nur an den Nacken und flüsterte: »Hat gar nicht wehgetan.«
    »Hör mal«, sagte die Mutter. »Du bist ein netter Mann. Viel zu nett, um mit uns zu reden oder dir hässliche Geschichten von so einem dummen Mädchen anzuhören. Meine Jungen hungern. Du gibst mir 50 Dollar, dann gehen wir unter die Kaianlagen, alle drei. Ich kenne ein kleines Versteck, wo uns niemand sehen kann. Du kannst machen, was du willst.«
    »Wie bitte?«, sagte ich.
    Wie ein Ballon hob mein Körper ab oder wie ein Wallone oder was auch immer. Und schon war ich weg; ich saß mit Nana in New York auf einer Parkbank. Die Sonne ging unter. Ein voller Tag lag hinter uns. Ich roch Brühwürstchen und Obdachlose. Ich roch mich selbst auf Nanas weicher dunkler Hand.
    »Wie bitte?«, wiederholte die Frau, wie um sich über mich lustig zu machen.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte ich.
    »Nur wenn du willst«, sagte die Frau gleichmütig, »wenn du das Geld hast, dann können wir unter die Kaianlagen gehen. Wir alle oder nur du und Yulia. Ich nehme die 50 Dollar, und wir stellen keine Fragen.«
    Ich schlug nach ihr. Ich hatte keinen Angriffsplan, aber rasch fand meine Faust ihren Weg in ihren Mund und arbeitete daran, ihre grässlichen goldenen Schneidezähne zu entwurzeln. Zwecklos. Sie biss mich, aber es kam kein Blut. Keiner von uns schrie. Ich hauchte ihr das Wort »Schlampe« entgegen, nur um hören zu müssen, wie falsch es klang.Ich erhob die andere Hand zitternd in die Luft, wie ein Streber, der die Aufmerksamkeit des Lehrers sucht. Ich ballte eine zweite Faust, hämmerte sie der Frau auf den Kopf und legte mein ganzes Gewicht in den Schlag. Sie lag einfach da, auf dem aufgesprungenen, von Glasscherben übersäten Beton, schüttelte sich wie im Fieber und versuchte, mit den Lippen ein Wort zu formen, vielleicht »Polizei«.
    Als ob es noch eine Polizei gegeben hätte.
    Mein Fußknöchel pochte. Yulia, das kleine Mädchen, biss mich und grub mir ihre Nägel ins Fleisch. Ich schüttelte sie nicht sofort ab. Ich stand da und ließ den Schmerz stärker werden, damit er mich schockartig zum Handeln zwang, zu einer neuen Entschlossenheit. Aber das konnte das kleine Mädchen nicht. Sie war nicht stark genug, ihre Zähne waren nicht scharf genug, mich zu verändern und mir einen neuen Blick auf die Dinge zu schenken. Ich drehte mich um und ging los, bei jedem hart erkämpften Schritt lockerte sich ihr Griff ein wenig, und still zog ich sie über Beton und Glasscherben hinter mir her. »Papa«, hörte ich sie schreien, nachdem sie mir schließlich vom Knöchel gerutscht war. Ich sah mich nicht um.
    Ich wollte zurück in mein Bett im Hyatt. Ich wollte ein ausgiebiges Bad in der römischen Wanne nehmen. Ich wollte mein antiallergisches Kissen und eine liebevolle Nachricht von Larry Zartarian auf meinem Nachttisch. Je weiter ich mich vom Pier entfernte, desto mehr hasste ich das kleine Mädchen. Ein Teil von mir – ein abscheulicher Teil, gewiss – hätte lieber sie anstatt ihrer Mutter geschlagen. Hätte sie am liebsten umgebracht. Ihr das scheu lächelnde Maul gestopft, unser aller scheuem Lächeln ein Ende gesetzt.
Verrecken wir doch alle
, dachte ich.
Befreien wir diesen Planeten von uns. Und wenn sie sich in 100 Jahren von uns erholt hat, kann die Erde ja wieder zarte Pusteblumen hervorbringen und empfindsame Hamster und Fünfsternehotels. Aus der Menschheit kann nichts mehr werden. Aus diesem Land kann nichts mehr werden.
    Ich bewegte mich auf das »Plateau International« zu, so kam es mir wenigstens vor, auf die Parfümerie 718 und das Hyatt – aber alle drei existierten nur noch in sehr abstrakter Form. Ich bewegte

Weitere Kostenlose Bücher