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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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irgendwo geklauten Daewoo-Tintenstrahldrucker aufgetaucht, es hätte ein schlimmes Ende mit mir nehmen können. Zentimeter für Zentimeter passte das Gerät genau auf Tafas (oder Rafas) Schädel, der darunter brach (ganz informell, wie ich anmerken darf). Als sein Begleiter geflohen war, setzte Timofej sich zu mir und verarztete mir den armen Mund.
    Während er mich behandelte, strich ich meinem Diener über die beginnende Glatze, die freundlichste Geste, die ich ihm je gegönnt hatte. »Du weläww mich nich, oda?«, zischte ich Timofej durch eine leicht umgestaltete Reihe von Vorderzähnen zu.
    »Wenn es meinem Meister schlecht geht, liebe ich ihn nur umso mehr«, sagte Timofej, Tupfer und Pflaster in der Hand.
    »Du haff eine wo wöne wuschische Weele«, sagte ich. Ich dachte an Falisch, Herrn Nanabragovs muslimischen Diener. »Diewe Wüdländatypn wind wiwich wutzwos«, sagte ich. »Du bis gaa nich wutzwos, was, Tima?«
    »Ich versuche, treu dem Wort der Bibel zu leben«, erklärte mir mein Diener. »Weiter denke ich eigentlich nicht.«
    »Interewant«, sagte ich. Mir fiel auf, dass ich eigentlich überhaupt nichts über meinen Diener wusste, obwohl er mich zwei Jahre lang jeden Tag gekleidet und gefüttert hatte. (Mein Vater hatte ihn mir zur Feier meiner Heimkehr geschenkt.) Was war nur mit mir los? Plötzlich überkam mich ein Anfall allgemeiner Menschenliebe. »Du muss mir awwes erwählen, won deiner Wuau, weine wanze Wewichte«, sagte ich. »Won Windheit an.«
    Timofej wurde rot. »Da gibt es eigentlich nichts zu erzählen«, sagte er. Der Kragen seiner polnischen, mit Tomatensuppe bekleckerten Polyester-Trainingsjacke war halb abgerissen. Ich beschloss, ihm so bald wie möglich einen schönen Anzug zu kaufen.
    »Oh witte«, sagte ich. »Ich win neuwierig.«
    »Wie soll man sagen?«, überlegte Timofej. »Ich bin im Bezirk Brjansk geboren worden, im Dorf Zakabjakino im Jahr 1943. Mein Vater, Matvei Petrowitsch, starb noch im selben Jahr vor Kursk in einerPanzerschlacht gegen die Faschisten. Im Jahr 1945 erkrankte meine Mutter an Tuberkulose und fand ein rasches Ende. Ich musste zu meiner Tante Anya ziehen. Sie war nett zu mir, aber sie starb im Jahr 1949 an einer schweren Gürtelrose, und mein Onkel Serjoscha prügelte mich bis ins Jahr 1954. Dann hatte er sich zu Tode gesoffen, und ich kam in ein Waisenhaus in der Stadt Brjanak, Bezirk Brjansk. Dort wurde ich auch geschlagen. Im Jahr 1960 habe ich schrecklich gesündigt und getrunken und mit bloßen Händen einen Mann umgebracht. Von 1960 bis 1972 saß ich im Arbeitslager auf den Solowki-Inseln. Dort war ein Wärter nett zu mir und besorgte mir Arbeit in einer Stadt in Karelien in der Kantine des Komitees der örtlichen Kommunistischen Partei. Glücklich und zufrieden lebte ich bis 1991. Ich war Vater geworden, und mein Sohn Slawa und ich spielten Fußball und
gorodki
. Ich trank immer noch und musste ins Krankenhaus. Nach dem Kommunismus verlor ich meine Arbeit, aber ich fand zu Gott. Ich hörte auf zu trinken. 1992 wurde die Parteikantine in einen teuren Fitnessclub umgewandelt, aber ich hatte noch immer einen Schlüssel und schlief unter dem Keller in einer warmen Kuhle. Im Jahr 1997 stieß Ihr Vater auf mich. Er sagte, er sei froh, ein so nüchternes russisches Gesicht zu sehen. Im Jahr 1998 nahm er mich mit zu sich nach Hause. Das ist meine ganze Geschichte.«
    Die längste Ansprache seines Lebens hatte Timofej sichtlich erschöpft. Mir selbst war auch ganz schwummrig, von den Schmerzen in meinem Mund und den scharfen Stichen unglaublicher Liebe. Er legte seinen Kopf auf das Kissen und ich lehnte den meinen an den steifen, bitter riechenden halben Kragen seiner polnischen Trainingsjacke, und so schliefen wir ein.

40
    Mit Israel reden
     
    Der September kam und mit ihm meine Nana, voll blumiger Entschuldigungen. »Scheiße, wo warst du?«, schalt ich sie. »Ich habe mich deinetwegen zu Tode geängstigt.«
    Nana zufolge war das Haus der Nanabragovs bis oben hin voll von Verwandten und Klanangehörigen, Flüchtlingen vom Land, so dass für mich und meinen Diener kein Platz mehr sei. Herr Nanabragov habe ihr erklärt, dass ich ein Anrecht auf Unterbringung bei ihnen hätte, sobald wir verheiratet seien, die eigentliche Familie Nanabragov aber bis dahin Vorrecht genieße. »Oh, mein armer Mischa«, weinte sie und warf sich mir an den Hals. »Puh«, sagte sie. »Du riechst, als würdest du in der Porzellanfabrik arbeiten.«
    »Es gibt kein Warmwasser, und im

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